Der folgende Beitrag von Klemens Himpele und Alexander Recht ist im Forum Recht 3/2007 erschienen.
Trennung von Kirche und Staat?
Goethe lässt im Faust Mephistopheles sagen, was heute noch immer aktuell ist:
„Die Kirche hat einen guten Magen, /
Hat ganze Länder aufgefressen, /
Und doch noch nie sich übergessen.“
Thema dieses Textes soll nicht nur sein, wie die Kirchensteuer funktioniert, sondern auch, wie die Kirche von ihr profitiert und ob sie mit der Forderung nach strikter Trennung zwischen Staat und Kirche vereinbar ist. Die Relevanz dieses Themas ergibt sich alleine aus der Höher der Kirchensteuereinnahmen: Bei der katholischen Kirche betrugen sie 2006 rund 4,3 Mrd. € [1] und bei der evangelische Kirche beliefen sie sich 2005 auf gute 3,6 Mrd. €.[2] Hiervon subventionieren die Steuerzahler und damit auch Nicht-Kirchenmitglieder wegen der Absetzbarkeit gezahlter Kirchensteuer als Sonderausgaben und der damit verbundenen Steuermindereinnahmen im Jahr 2006 3,1 Mrd. €, d. h. fast 40%.[3]
Was ist die Kirchensteuer, und wer ist kirchensteuerpflichtig?
Die Kirchensteuer ist das verbriefte Recht der Kirchen und anderer Religionsgemeinschaften [4] zur Erhebung eigener Steuern. Gemäß Artikel 137, Abs. 6 der Weimarer Reichsverfassung i. V. m. Artikel 140 Grundgesetz müssen hierfür drei Bedingungen erfüllt sein:[5] Die entsprechende Kirche muss eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sein, es müssen entsprechende Steuerbeschlüsse der Leitungsgremien der jeweiligen Körperschaft des öffentlichen Rechts vorliegen und das zuständige Landesparlament muss der Steuererhebung zustimmen. Dann können Kirchen von den Steuerpflichtigen von der Taufe bis zum Austritt oder Tod Steuern erheben.
Rechtlich sind zwar auch Erhebungen der Kirchensteuer auf die Grundsteuer, als Zuschlag zur Vermögensteuer und zum Solidaritätszuschlag möglich, aber dies spielt in der Praxis keine Rolle, so dass nur die Kirchensteuer auf Basis der Jahreseinkommensteuer, vor allem der Lohnsteuer, betrachtet wird. In einigen Ländern wird eine Mindestkirchensteuer vorgesehen, in einigen Ländern gibt es eine Kappungsgrenze als prozentuale Obergrenze der Kirchensteuerbelastung in Bezug auf das zu versteuernde Einkommen (ZVE).
Grundsätzlich beträgt die Steuer zwischen 8 und 9 Prozent der Einkommensteuer.
Die Kappung der Kirchensteuer erfolgt entweder von Amts wegen, d. h. die einziehende Stelle (i. d. R. das Finanzamt) prüft automatisch, ob eine Kappung den Kirchensteuerzahlenden besser stellt, oder auf Antrag.
Berechnung der Kirchensteuerschuld
Die Kirchensteuer berechnet sich auf Basis der Lohnsteuer. Zur Berechnung der Lohnsteuer werden vom Bruttojahreseinkommen abgezogen: Sozialversicherungsabgaben, in bestimmten Grenzen Vorsorgeausgaben, Werbungskosten (pauschal € 920 je Kalenderjahr und Person bzw. nachgewiesene höhere Werbungskosten), Sonderausgaben (incl. gezahlter Kirchensteuer) sowie Spenden. Zudem werden Kinder- und Erziehungsfreibeträge berücksichtigt. Der Wert nach Abzügen wird bei gemeinsam veranlagten Ehepaaren durch zwei geteilt. Was heraus kommt, ist das zu versteuernde Einkommen. Hierauf wird der Einkommensteuertarif (der bereits den Grundfreibetrag berücksichtigt) angewendet: Das Ergebnis bzw. bei gemeinsam veranlagten Ehepaaren das mit zwei multiplizierte Ergebnis entspricht der Einkommensteuerschuld. Das Produkt aus Einkommensteuerschuld und Kirchensteuersatz ergibt die Kirchensteuerschuld.
Bei der Berücksichtigung von Kindern kommt eine spezielle Regelung zur Anwendung: Kinderfreibeträge greifen erst ab einem relativ hohen Einkommen, bis dahin erfolgt auf Grund der Günstigerprüfung der Finanzämter die Auszahlung von Kindergeld.[6] Für sich genommen, würde dies dazu führen, dass Geringverdiener mit Kindern bei der Kirchensteuer benachteiligt würden, da das Kindergeld nicht direkt mindernd auf die zu zahlende Lohnsteuer wirkt. Deshalb werden der Kinder- und der Betreuungsfreibetrag bei der Berechnung der Kirchensteuer immer in Abzug gebracht.[7]
Die tatsächlich gezahlte Kirchensteuer kann als Sonderausgabenabzug bei der Einkommensteuer berücksichtigt werden. Ökonomisch bedeutet dies, dass die Bemessungsgrundlage des ZVE um die im Vorjahr gezahlte Kirchensteuer gekürzt wird und der Kirchensteuerpflichtige dementsprechend weniger Einkommensteuer bezahlt.
Einzug der Kirchensteuer
Auf Grund von Verträgen lassen die beiden großen christlichen Kirchen die lohnbasierte Kirchensteuer durch die Finanzämter eintreiben. Hierfür entrichten sie 2% bis 4% der Kirchensteuereinnahmen an die Finanzämter. Petersen (S. 32 f.) schätzt, dass die Kirchen bei eigener Eintreibung der Gelder Verwaltungskosten von rund 15% hätten.
Alternativen
Vereine, Parteien und Verbände ziehen Beiträge von ihren Mitgliedern ein, die diese unter bestimmten Bedingungen steuerlich geltend machen können: Bei gemeinnützigen Vereinen können die Beiträge voll steuermindernd angesetzt werden. Bei Parteien sind Zuwendungen zur Förderung der Demokratie besonders stark berücksichtigungsfähig. Das EStG sieht vor, dass 50% der Zuwendung von der tariflichen Einkommensteuer abziehbar sind (bis max. € 1.650, im Falle der Zusammenveranlagung € 3.300, wobei darüber hinausgehende Beträge von der Bemessungsgrundlage des ZVE abziehbar sind). Ebenfalls können Beiträge an Berufsverbände (etwa Gewerkschaften) als Werbungskosten geltend gemacht werden. Aufgrund des Arbeitnehmerpauschalbetrags wirkt eine solche Geltendmachung jedoch nur, wenn die Werbungskosten den Pauschbetrag von € 920 überschreiten.
Fazit
Bei einer sauberen Trennung von Staat und Kirche müssten erstens deren Mitglieder analog zu Vereinen explizit für den Beitritt votieren. Zweitens müssten die Kirchen ihre für steuerliche Abzugsfähigkeit erforderliche Gemeinnützigkeit belegen. Drittens müsste gewährleistet sein, dass die Kirchen ihre Mitgliedsbeiträge selber einziehen. Hierfür sprechen aus säkularer Sicht mehrere Punkte: Der Staat wäre erstens nicht mehr verantwortlich für den Einzug des Steuern, was schon in der Außenwahrnehmung eine Verquickung vermiede. Die Kirchen müssten zweitens – wie andere Vereine auch – die Kosten ihrer Mitgliedverwaltung selbst tragen. Drittens müssten die Kirchenmitglieder tatsächlich der Kirche beitreten und würden nicht per Taufe beim ersten Einkommen zur Kasse gebeten. Die Kirchen selbst schließlich wären nicht von der Steuergesetzgebung des Bundes abhängig.
Die Beteiligung des Staates an den Kirchensteuerkosten über Steuermindereinnahmen allein ist kein Argument dafür, dem Staat die Aufgabe des Einzugs zu übertragen. Denn für andere Vereine – Gemeinnützigkeit vorausgesetzt – gilt, dass deren Mitglieder ihre Mitgliedsbeiträge selber steuerlich geltend machen müssen, ohne dass der Staat den Einzug von Steuern für diese Vereine übernimmt. Im Vergleich zu Kirchen sind Berufsverbände wie etwa die Gewerkschaften ohnehin benachteiligt, da deren Mitglieder ihre Beiträge nur als Werbungskosten, nicht aber als Sonderausgaben ansetzen können, so dass ein Steuerminderungseffekt hier erst ab Überschreiten des Werbungskostenpauschbetrages eintritt. Es ist nicht einsehbar, Kirchen, deren Mitglieder ihre „Beiträge“ als Sonderausgaben abziehen dürfen, auch noch durch staatliche Übernahme des Einzugs zu begünstigen.
Insgesamt ist das Recht der Kirchen demnach eine Bevorzugung gegenüber anderen Formen der gesellschaftlichen Organisiertheit, die angesichts der Tatsache, dass ein wachsender Teil der Menschen Kirche ablehnt und es jedenfalls im Rahmen der Religionsfreiheit auch das Recht der Religionsverweigerung gibt, nicht begründbar ist. Neben dem Einzug kommt erschwerend hinzu, dass der Eintritt in die Kirche i.d.R. durch die Eltern vollzogen wird, die Steuerschuld jedoch beim (dann erwachsenen) Kind entsteht. Ebenso findet eine Beweislastumkehr statt: Während Vereine im Zweifelsfall nachweisen müssen, dass eine Mitgliedschaft und damit das Recht zum Einzug von Mitgliedbeiträgen vorliegt, gilt bei den Kirchen, dass auf Anforderung dem Finanzamt die Nichtmitgliedschaft nachzuweisen ist. Deutschland ist demnach mit Blick auf die Kirchensteuer kein Land, in dem von einer Trennung zwischen Kirche und Staat ausgegangen werden kann.
Literatur
[1] vgl. Deutsche Bischofskonferenz (2006): Katholische Kirchensteuer 1991 bis 2006. im gesamten Bundesgebiet (Nettoaufkommen), URL: http://www.dbk.de/imperia/md/content/kirchlichestatistik/kirchensteuer/kirchensteuer_1991_2006.pdf
[2] vgl. Evangelische Kirche in Deutschland (2005): EKD-Statistik. Kirchensteuer 2005, URL: http://www.ekd.de/statistik/kirchensteuer.html.
[3] vgl. Deutscher Bundestag (2006): Unterrichtung durch die Bundesregierung. Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuerver¬günstigungen für die Jahre 2003 bis 2006 (20. Subventionsbericht), BT-Drucksache 16/1020, S. 111.
[4] vgl. Czermak, Gerhard (2004): Europarecht und Religionsgemeinschaften unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Rechtslage, in: Aufklärung & Kritik 2/2004, S. 175-186.
[5] Vgl. bspw. Petersen, Jens (2007): Die Kirchensteuer. Eine kurze Information, o. O.
[6] vgl. hierzu ausführ¬lich Dohmen, Dieter / Himpele, Klemens (2006): Umfinanzierung der elterlichen Kosten für den Schulbesuch der Kinder durch Kürzungen beim Kindergeld, Berlin und Köln.
[7] Vgl. Petersen, a. a. O., S. 19.