Meine Partei, die LINKE, hat leider für das BGE votiert. Das Motiv der BGE-Befürworter ist es einerseits, den Repressionen des SGB II den Zahn zu ziehen. Das finde ich im Kern richtig. Ihr Motiv ist es aber andererseits, die Anrechnungssystematik des Hinzuverdienstes im SGB II zu ändern. Das finde ich falsch.
Die heutige Anrechnungssystematik stellt sich in § 11b Abs. (2) und (3) SGB II wie folgt dar:
“Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, ist (…) ein Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich von dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit abzusetzen. (…) (Es) ist von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag abzusetzen. Dieser beläuft sich 1. für den Teil des monatlichen Einkommens, der 100 Euro übersteigt und nicht mehr als 1 000 Euro beträgt, auf 20 Prozent und 2. für den Teil des monatlichen Einkommens, der 1 000 Euro übersteigt und nicht mehr als 1 200 Euro beträgt, auf 10 Prozent.”
Hieraus resultieren Probleme, von denen ich fünf benenne. Erstens ist nicht davon auszugehen, dass das Gesamtnettoeinkommen einfach ums BGE steigt. Stattdessen besteht die Gefahr, dass das Gesamtnettoeinkommen bisweilen gleichbleibt, aber das Nettoeinkommen vor Absetzbetrag ums BGE sinkt, indem die Bruttolöhne sinken. Hiergegen möchten sich die BGE-Befürworter durch einen Mindestlohn wappnen, was ich zugebe.
Zweitens ist den BGE-Befürwortern klar, dass das Nettoeinkommen vor Absetzbetrag nicht einfach per BGE parallel nach oben verschoben werden kann. Denn den gestiegenen Ausgabemöglichkeiten stehen noch dieselben Gütermengen gegenüber. Zudem ist eine bedarfsunabhängige Systematik ungerecht, da sie Ungleiche gleich behandelt. Daher möchten die BGE-Befürworter die Besserverdienenden durch Zusatzsteuern (ZS) belasten. Wer sind aber die Besserverdienenden? Offenbar soll die Bedarfsprüfung, die bisher den Sozialbehörden vorbehalten war, nun den Steuerbehörden übertragen werden. Worin besteht dann aber der Vorteil?
Drittens besteht die Gefahr, dass die Zusatzsteuern nicht in progressiver Form, sondern als indirekte Steuern erhoben würden, die einkommensärmere Personen mit hoher Konsumquote überproportional belasten würden.
Viertens gehen sämtliche Modellierungen immer davon aus, dass sich an den Reaktionsfunktionen der Individuen im Hinblick auf Ausgabeverhalten, Arbeitskraftangebot, Bildungsnachfrage usw. bei Umstellung auf eine andere Sozialsystematik nichts verändern würde. Ich sage ausdrücklich nicht, dass niemand mehr seine Arbeitskraft anböte, wenn es ein BGE gäbe. Ich sage aber, dass es schwer ist, hier Prognosen abzugeben.
Fünftens sind die “ungeheure Warensammlung” und die ungeheure Menge an Dienstleistungen Produkte verausgabter Arbeit. Diese Erkenntnis müsste dazu führen, sich zu engagieren für genug Arbeitsplätze, faire Arbeitseinkommen, gute Arbeitsbedingungen, hohe Tarifbindung, passende AVE, gute Bildung, hohe Produktivität, geeignete Abstimmung zwischen volkswirtschaftlichen Aggregaten und hinreichende soziale Absicherung monetärer und nichtmonetärer Art für jene, die ihrer bedürfen. Genau das aber kommt bei den BGE-Fans viel zu kurz.
Nachfolgend sieht man die Tabelle mit den Zahlen der beiden Systeme, die einer Excel-Datei entstammt:
Alex, vielen Dank f.d. Ausarbeitung!
Ich stimme Dir in dem zu, soweit ich das verstanden habe.
Grüße Hannelore