Gut sieht es bei der Landtagswahl in Hessen nicht aus für die LINKE: nur 3%. Das ist schade und sollte sich ändern, da die LINKE zur Lösung der sozialen Frage wichtig ist und auch auf ökologischem Terrain hier und da brauchbare Lösungen liefert. Das schlechte Ergebnis für die LINKE ist zudem auch ein Stück weit ungerecht, da die Partei an keiner Regierung beteiligt war.
Doch dass es so schlecht um die LINKE steht, ist nicht nur ungerecht, sondern zum Teil auch selbstverschuldet. Neben der sozialen und der ökologischen Frage gibt es nämlich eine weitere Frage von enormer Bedeutung, die bei der LINKEN zu wenig behandelt wird: die ökonomische Frage. Das Wachstum der Erwerbsproduktivität lahmt in D, und auch die Prognosen zum preisbereinigten BIP in D gehen von negativem Wachstum aus.
Man könnte es sich leicht machen und einen Zeigerfinger des Vorwurfs auf CDU, SPD, Grüne und FDP richten, die alle in den letzten Jahren an der Bundesregierung waren. So leicht sollte es sich die LINKE aber nicht machen, denn Megatrends wie sozialökologische Transformation und Digitalisierung sind Herkulesaufgaben, die bei allen Parteien für Überforderung sorgen.
Anstelle einer Zeigefingerhaltung müsste die LINKE selbst skizzieren, wie das Wachstum der Erwerbsproduktivität als reales BIP-Wachstum pro Erwerbstätigen steigen könnte. Denn das Wachstum der Erwerbsproduktivität ist auch Voraussetzung für eine bessere Qualität von Sozialstaat und ökologischem Umbau. Das betrifft auch die Landesebene, etwa in Hessen.
Fragen
Nennen wir unter noch mehr möglichen Fragen sechs:
- Wie soll das Bildungssystem im Bundesland dazu beitragen, das Wachstum der Erwerbsproduktivität zu erhöhen?
- Wie soll technischer Fortschritt im Bundesland gefördert werden, der auf mehr als nur solare Technologien abzielt?
- Wie soll der Gefahr von Deindustrialisierung im Bundesland durch Wirtschaftsförderung und Erneuerung des Kapitalstocks begegnet werden, was etwas anderes ist als die Förderung der Inhaber von Eigen- und Fremdkapitaltiteln?
- Welche Bedeutung hat die Bereitstellung von Mobilität im Bundesland für die Förderung der Erwerbsproduktivität?
- Wie kann die Landesverwaltung durch schnellere und unbürokratische Verfahren die Erwerbsproduktivität fördern?
- Wie kann das Bundesland durch überzeugende öffentliche Entlohnungsmodelle und durch Vergaberegeln dazu beitragen, dass die unteren bis mittleren Einkommen der Erwerbstätigen eine hinreichende Binnennachfrage erzeugen, um den Abbau der zu hohen Außenhandelsposition abzufedern?
Zur Klarstellung: Es wäre von der LINKEN irrsinnig, die soziale und die ökologische Frage für unwichtig zu erklären. Bekämpfung von Ungleichheit und Klimawandel sind nach wie vor wichtig.Doch die LINKE müsste einerseits auch die ökonomische Frage des reales BIP-Wachstum pro Kopf stärker bearbeiten und andererseits bei Zielkonflikten zwischen ökonomischer, sozialer und ökologischer Dimension darlegen, welche Kompromisse sie der Bevölkerung zu unterbreiten gedenkt.
Keine plumpe Angebotspolitik
Übrigens bin ich mit diesen Worten nicht bei der Frage, wie die LINKE bessere Angebotspolitik machen könnte, gelandet.
Die ursprünglich von Keynes inspirierte Stärkung der Nachfrageseite folgte ja aus der Absage des Sayschen Theorems. Denn zwar schafft sich jedes Angebot EINE Nachfrage, aber nicht automatisch SEINE Nachfrage, also eine Nachfrage in derartiger Höhe, dass das Angebot in Gänze geräumt wird.
Folglich muss der Staat bzw. müssen öffentliche Körperschaften nachhelfen, um die Kapazitäten auszulasten. Das gilt insbesondere bei großer Unterauslastung/Unterbeschäftigung. Gibt es eine hohe Auslastung mit Arbeitskräfteknappheit, reduziert sich das Erfordernis der Nachhilfe, wiewohl es noch immer richtig ist, auch hier die Auswahl der Nachfrage öffentlich zu regulieren.
Aktuell bei aufkommender Rezessionsgefahr paaren sich Märkte mit geringerer Unterauslastung/Unterbeschäftigung mit wieder mehr werdenden Märkten mit höherer Unterauslastung/Unterbeschäftigung, etwa in der Bauwirtschaft. Insofern finde ich es sehr richtig, dass man die EZB kritisiert und Zinssenkungen anmahnt, die im Übrigen durch Forcierung der Investitionsnachfrage Nachfragepolitik darstellen, aber durch Senkung der Kapitalkosten auch einen Hauch Angebotspolitik mit sich tragen.
Aber nochmals: Ich denke nicht, dass es im großen Stil und flächendeckend verbesserter Angebotsbedingungen bedarf. Nachfragepolitik bleibt vielmehr zentral. Im kleineren Stil plädiere ich aber etwa für eine Industriestrompreisbremse, für den Abbau unnötiger Bürokratie, für die Schaffung guter Infrastrukturen und für die Bereitstellung von Mobilität, wobei Infrastrukturen und Mobilität ja ohnehin allen direkt nutzen und nicht nur Unternehmen.
Etwas anderes aber ist das, was ich benannt habe. Mir geht es hierbei nicht um plump, simpel und flächendeckend verbesserte Angebotsbedingungen durch staatliche Vergünstigungen für Unternehmen, sondern um die Frage, wie die Produktionsmöglichkeiten als solche durch Produktivitätssteigerungen verbessert werden.
Ich denke, das war schon immer ein linker Ansatz. Richtig ist zwar, dass bei konstantem Arbeitsvolumen eine Nachfragestärkung die Auslastung und somit das BIP erhöht und ergo auch die gemessene Erwerbsproduktivität ansteigen lässt. Aber das heißt ja nicht, dass es nicht Steigerungen der Erwerbsproduktivität sui generis geben kann oder soll.
Marx als solcher ist gewiss noch kein Argument, aber die von ihm benannten Tendenzen der Steigerungen der Erwerbsproduktivität (Marx spricht im “Kapital I”, S. 333, von “Produktivkraft der Arbeit“)
- durch technischen Fortschritt im Zuge steigender Kapitalintensität (Marx spricht im “Kapital I”, S. 640, von einer steigenden “organischen Zusammensetzung des Kapitals“),
- durch Bildung (Marx spricht in den “Grundrissen”, S. 602, vom “general intellect“),
- durch bessere Formen der Organisation (Marx spricht im “Kapital I”, S. 341, von “Kooperation“) und
- durch Nutzung der Natur (Marx spricht im “Kapital III”, S. 754, von “Gratisproduktivkraft“)
sind ja nicht neu. Im Zusammenhang (siehe “Kapital I, S. 54”) gilt:
“Die Produktivkraft der Arbeit ist durch mannigfache Umstände bestimmt, unter andren durch den Durchschnittsgrad des Geschickes der Arbeiter, die Entwicklungsstufe der Wissenschaft und ihrer technologischen Anwendung, die gesellschaftliche Kombination des Produktionsprocesses, den Umfang und die Wirkungsfähigkeit der Produktionsmittel, und durch Naturverhältnisse.”
Was ich damit sagen möchte: Linke haben nicht nur ein Interesse daran, die Auslastung gegebener Produktionsmöglichkeiten zu verbessern, sondern auch ein Interesse daran, dass die Erwerbsproduktivität sui generis steigt und somit die Produktionsmöglichkeiten als solche verbessert.
Kommt es dazu, ist es selbstredend unerlässlich, dass entweder die Arbeitseinkommen mit der erhöhten Erwerbsproduktivität steigen oder aber die Arbeitszeit bei konstanten Arbeitseinkommen verkürzt wird (oder aber eine Mischung davon), um nicht neue Unterbeschäftigung zu erzeugen.
Das ändert aber nichts daran, dass die Erhöhung des Produktes pro Arbeitszeit einen Fortschritt darstellt und zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeitenden, der sozialstaatlichen Absicherung und Umverteilung, der Umsetzung des sozialökologischen Umbaus und der Gestaltung von Migration genutzt werden kann.
PS: Hinzu kommt wie oben geschrieben die Möglichkeit, über öffentliches Eigentum auf Höhe und Richtung der Produktion Einfluss zu nehmen.
PPS: Und es stimmt, dass die nachhaltige Wahrung der Naturverhältnisse mitzudenken ist, auch wenn eine Steigerung des realen BIP nicht dasselbe ist wie ein Mehr an stofflichem Durchsatz.