Aufgaben und Instrumente demokratischer Planung

Nachfolgender Text von Alexander Recht und Alban Werner wurde im Jahre 2010 erstellt und in Ausgabe 286, 52. Jahrgang, Heft 2/2010, der Zeitschrift „Das Argument“ publiziert – einer Ausgabe, die sich mit dem Themenkomplex „Gesellschaftliche Planung und solidarische Ökonomie“ befasste.


Bis Ende der 1980er Jahre galt volkswirtschaftliche Planung auch vielen Sozialisten im Westen selbstverständlich als Bestandteil sozialistischer Forderungskataloge. Seit dem Zusammenbruch der UdSSR und der ihr verbundenen Staaten wird sie nur selten genannt, wenn es um sozialistische Alternativen geht, obgleich die Gründe, derentwegen volkswirtschaftliche Planung von Sozialisten einst als notwendig benannt wurde, nach wie vor gelten. Die Perspektive einer demokratisch geplanten Ökonomie ist also nach wie vor aufrecht zu erhalten.

Auch kapitalistische Produktion funktioniert nicht planlos. Unternehmen, insbesondere größere, beschäftigen zur Maximierung ihres Profits ganze Abteilungen mit Planungs- und Entscheidungsaufgaben, und dies findet seinen Ausdruck in betriebswirtschaftlichen Theorien wie Entscheidungslehre, Operations Research oder Unternehmensplanung. Gleichwohl ist der gesellschaftliche Zusammenhang der kapitalistischen Produktionsweise dem Bewusstsein und Willen der Menschen in weiten Teilen entzogen. Erst auf dem Markt klärt sich, ob die in den Waren vergegenständlichte Arbeit gesellschaftlich notwendig war. Der gesellschaftliche Zusammenhang stellt sich also nur nachträglich und unbewusst hinterm Rücken der Akteure, in der widersprüchlichen Form eines »planlosen Plans« her (Haug 2006, 113).

Das Ausbleiben gesellschaftlicher Planung im Kapitalismus führt zu krisenhaften Ungleichgewichten. Die Überakkumulation von Kapital und die Überproduktion von Waren, die der Konkurrenz unabgestimmt agierender privater Unternehmen geschuldet sind und als angebotsseitige Krisen selbst dann aufträten, wenn es eine egalitäre Einkommensverteilung gäbe (vgl. Zinn 2002, 219), führen zu nachlassender Investitionsnachfrage. Da aber die Einkommensverteilung ungleich ist, wirkt auch sie bremsend auf die Nachfrage nach Konsumgütern und konsumabhängigen Investitionen. Diese verteilungsbedingte Nachfrageschwäche wird im Zuge kapitalistischer Entwicklung verstärkt durch die bei besserverdienenden Einkommensgruppen vorzufindende Tendenz zunehmender Sättigung und Ersparnis (vgl. Zinn 2008, 26). Schließlich bedingt das Fehlen von Planung auch, dass der Produktionsausstoß verschiedener volkswirtschaftlicher Abteilungen und Sektoren nicht zum Bedarf anderer Abteilungen und Sektoren passt und somit Disproportionalitäten erzeugt, die ebenfalls zu Nachfrageproblemen führen. Allen Krisenvarianten gemein ist, dass es temporär zu einem im Vergleich zur Nachfrage zu hohen Angebot kommt, dann zu Produktionsrückgang und schließlich zu Einkommensrückgang und Entlassungen.

Demokratische Planung ist gesellschaftlich notwendig, um die der kapitalistischen Produktionsweise nach wie vor anhaftende Krisenhaftigkeit einzudämmen. Sie ist aber auch möglich, weil durch gesellschaftliche, ökonomische und technische Entwicklungen des Kapitalismus ihre Voraussetzungen geschaffen worden sind. Demokratische Planung muss sich auf Mikro-, Makroökonomie, Investitionssteuerung und die Arbeitswelt erstrecken.

Mikroökonomische Planung

Allen Produktivitätssteigerungen zum Trotz sind die Opportunitätskosten der gesellschaftlichen Produktion auch heute noch größer Null: Wird ein gesellschaftlich nachgefragtes Produkt hergestellt, ist hierfür die Verausgabung gesellschaftlicher Arbeitszeit erforderlich, die nicht mehr zur Herstellung anderer gesellschaftlich nachgefragter Produkte verfügbar ist. Die Kosten des hergestellten Produkts bestehen demnach im Verzicht auf die Herstellung anderer Güter. Die Gesellschaft bedarf also der Allokation von Produktionsmitteln und Arbeitskräften zu Produktionssphären sowie der Verteilung der Güter an Haushalte – sei diese Zuweisung rein marktförmig oder politisch-indikativ gesteuert oder direkter geplant. Die bürgerliche Ökonomik setzt auf die kapitalistische Marktwirtschaft bei konkurrierenden Unternehmen mit Privateigentum an Produktionsmitteln sowie gegebenen Präferenzen der Konsumenten und betrachtet diese als harmonische Veranstaltung. Die Preise seien flexibel, alle Produktionsfaktoren mobil. Die Wirtschaftssubjekte seien über das Marktgeschehen gut informiert und reagierten auf dessen Änderungen in hoher Geschwindigkeit. Ihre Entscheidungen träfen sie dezentral, ohne kollektive Absprache und ohne gesamtwirtschaftlich übergreifende Planung. Die Konsumenten entschieden frei über ihre Einkommensverwendung, die Kapitalbesitzer frei über ihren Kapitaleinsatz. Auf diese Art und Weise sorge die von Adam Smith ins Spiel gebrachte unsichtbare Hand des Marktes dafür, dass die Ökonomie durch gleichgewichtige Zustände auf allen Märkten geprägt sei. Das Angebot wachse, die Nachfrage sinke mit steigendem Preis. Der Gleichgewichtspreis sorge für einen perfekten Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Bei Überangebot sinke der Preis, bei Übernachfrage steige er, bis wiederum das Gleichgewicht hergestellt werde.

Diese idealtypische Darstellung hat jedoch mit der Realität wenig zu tun. Dies fängt bei den Prämissen an: Präferenzbildung ist so wenig frei wie die Entscheidung der Konsumenten, was und wieviel sie konsumieren. Auch sind die Kapitalbesitzer eingebunden in Konkurrenzverhältnisse. Zudem läge ein echtes Gleichgewicht nur dann vor, wenn der sich aus dem Marktgeschehen ergebende Preis dem vorab geschätzten Preis aller produzierenden Unternehmen entspräche. Dies ist aber nie der Fall. Folglich wird das eine Unternehmen zum Marktpreis zu viel, das andere zu wenig produziert haben. Eine Abfolge von sich jeweils dynamisch ändernden Ungleichgewichten entspricht eher der Realität. Auch ignoriert das idealtypische bürgerliche Modell die zuweilen auftretenden atypischen Preis-Mengen-Kurven: Lebensnotwendige Güter werden von unteren Einkommensgruppen bei steigendem Preis stärker nachgefragt, da diese sich infolge sinkenden Realeinkommens auf deren Konsum konzentrieren müssen. Übernachfrage führt hier zu einer Preiserhöhung, die die Übernachfrage noch ausdehnt. Beschäftigte mit geringem Einkommen wiederum bieten bei sinkendem Lohn ihre Arbeitskraft vermehrt an, um ihren Einkommensverlust auszugleichen. Führt Erwerbslosigkeit zu Lohnsenkungen, erhöht sich somit das Überangebot an Arbeitskräften. Auch gibt es starre Märkte, in denen die Preiselastizität der Nachfrage so gering ist, dass Preissteigerungen kaum Nachfragerückgang hervorrufen. Doch auch bei typischen Preis-Mengen-Kurven räumt der Preismechanismus die Märkte nur begrenzt, da bei ungleicher Einkommensverteilung viele Käufer mit beschränktem verfügbarem Einkommen ihre Nachfrage nicht ausdehnen können. Außerdem sind weder Arbeitskräfte noch Produktionsmittel unbegrenzt mobil. Das bürgerliche Grundmodell setzt überdies gleichartige Wettbewerber auf Augenhöhe voraus, die es in der Realität nicht gibt. Insgesamt können Veränderungen von Preisen und Mengen sowie Einkommen auf anderen Teilmärkten zu sich selbst verstärkenden Abwärtsprozessen mit Arbeitslosigkeit führen, die sich strukturell verfestigen. Daher sind demokratisch geplante Interventionen ins Preissystem erforderlich.

Höchstpreise im Konsumbereich – etwa auf Lebensmittelmärkten oder auf dem Wohnungsmarkt – ermöglichen es, eine Mindestversorgung der Verbraucher sicherzustellen; im Bereich der Produktionsmittel bewirken sie, dass eine zu geringe produktive Nutzung durch Unternehmen verhindert wird. Mindestpreise – etwa bei knappen Gütern hoher gesellschaftlicher Relevanz – können gesellschaftlichen Übernutzungen entgegenwirken. Kommt es auf solchen Märkten infolge der Preisgrenzen zu Nachfrage- und Angebotsüberhängen, so ist es öffentlich-demokratische Aufgabe, im ersten Fall zu rationieren und im zweiten Fall Überschüsse öffentlich aufzukaufen. Öffentliche Eingriffe ins Preissystem sind bei atypischen Verlaufsformen geboten. Aber auch Bereiche von hoher gesellschaftlicher Bedeutung, deren Angebots- und Nachfragekurven zwar gewöhnlich verlaufen, deren gesellschaftliche Nutzung jedoch explizit gefördert werden soll, bedürfen gesellschaftlich geplanter Interventionen: So muss es zahlreiche geplante und durch Steuern finanzierte öffentliche Angebote ohne Nutzungsentgelte geben – z.B. im Bereich der Bildung (»Infrastruktursozialismus«). Es wird auch Produktionsmittel geben, deren Umfang klar planbar ist, bei denen Angebot und Nachfrage nah beieinander liegen und bei denen es ein Interesse gibt, über direkte Preisfestsetzungen gesellschaftlich steuernd in die Ökonomie einzugreifen (vgl. Lange 1956, 362 f). Wo es keine direkten Gebote und Verbote gibt, sollten negative externe Effekte der Produktion, die nicht in die Preiskalkulation der verursachenden privaten Unternehmen einfließen, diesen durch Steuern aufgebürdet werden. Darüber hinaus ist es geboten, monopolistische Unternehmen zu vergesellschaften.

Von manchen Autoren wird jedoch in Frage gestellt, ob öffentliche Eingriffe in dieser Reichweite ausreichend sind. Cockshott und Cottrell etwa möchten die Preisgestaltung auf Märkten gänzlich aufheben und plädieren alternativ dafür, unter Wegfall von Geld eine PC-gestützte sozialistische Planung vorzunehmen und diese mit Formen direkter Demokratie zu kombinieren: »Beim Gebrauch heutiger Supercomputer ist die Berechnung der Arbeitszeiten für eine ganze Volkswirtschaft in nur wenigen Minuten machbar. […] Es ist gängige Praxis in allen Firmen, mit Ausnahme der kleinsten, Kostenanalyse auf einem PC mit einem Tabellenkalkulationsprogramm zu betreiben. In unserem hypothetischen sozialistischen Wirtschaftsmodell benutzt jede Produktionsstätte solch ein Softwarepaket, um ein Modell seines Produktionsprozesses abzubilden. […] Das Tabellenkalkulationsprogramm würde sehr schnell die Arbeitszeiten für die erzeugten Waren berechnen und ein aktuelles Bild über die Arbeitszeiten des benötigten Inputs geben. Das Werk könnte die ermittelten Arbeitskosten dazu benutzen, um für sich zu entscheiden, welche Produktionsmethode die beste für die Volkswirtschaft ist.« (2006, 84)

Cockshott und Cottrell berechnen ihren Produktionsplan auf Basis von linearen Input-Output-Tabellen (85, vgl. Dieterich 2006, 109, 123f). Solchen Ansätzen sind die Annahmen gemein, dass sich alle Präferenzen der Menschen und produktionstechnischen Zusammenhänge abbilden ließen und über die Zeit nicht veränderten sowie dass die Zuweisung von Arbeitszeiten und Arbeitskräften bei Knappheit ohne Preise und Geld möglich sei. In Wirklichkeit jedoch unterliegen sowohl produktionstechnische Zusammenhänge als auch Bedürfnisstrukturen Veränderungen. Überdies wäre die Feststellung dieser Zusammenhänge und Strukturen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, die nicht durch den Verweis auf Rechnerkapazitäten aus der Welt geräumt werden können. Zudem gibt es Produktionsfunktionen, die bei gleichmäßiger Ausdehnung aller Produktionsfaktoren nicht-lineare, steigende Skalenerträge aufweisen; und es gibt mit der Gütermenge degressiv steigende Nutzenfunktionen. Nicht-lineare Gleichungssysteme sind schwerer lösbar. Abgesehen davon: Auf welche Weise sollen die notwendigen empirischen Werte zur Bestimmung der funktionalen Zusammenhänge gewonnen werden?

Wird statt mit Preisen mit Arbeitszeitquanten operiert, ist unklar, wie komplizierte in einfache Arbeit umzurechnen wäre (vgl. Nick 2007, 104). Es ist überdies kein Weg bekannt, wie die Abweichung gesellschaftlich nachgefragter von gesellschaftlich verausgabter Arbeitszeit bei Angebots- und Nachfrageüberschüssen abbildbar wäre. Nachfrager hätten keine Möglichkeit, bei Feststellung eines knappen Güterangebots ihre höhere Präferenz gegenüber anderen Nachfragern durch höhere Preise zu artikulieren. Auch wären Entscheidungswechsel bei den Nachfragern nicht mehr darstellbar, was erhebliche Probleme nach sich zieht. Wenn mit Blick auf die bürgerliche Ökonomik kritisiert wird, dass sie eine Gleichgewichtswelt unterstellt, die es nicht gibt, so gilt diese Kritik auch mit Blick auf PC-gestützte Arbeitszeitmodelle: Auch hier wären sich verändernde Entwicklungen in der Produktions- und Konsumsphäre nicht mehr darstellbar. Zudem weichen in den verschiedenen Unternehmen aufgrund unterschiedlicher Arbeitsproduktivität die Arbeitszeiten voneinander ab. Bei einem Preissystem enthalten die unterschiedlichen Preise der Unternehmen unterschiedliche Überschüsse über die Selbstkosten, was sich mobilisierend auf die Verbesserung der einzelbetrieblichen Produktionsprozesse auswirkt (vgl. Bischoff/Draheim 2003, 12), ein Effekt, der bei einer PC-gestützten Arbeitszeitrechnung entfällt.

Die Notwendigkeit der Bepreisung entfiele womöglich in einer Welt mit viel höherer Arbeitsproduktivität als heute (vgl. Nick 2007, 102 f), aber nicht bei fortexistierenden Opportunitätskosten. Bei typischen Preis-Mengen-Verläufen signalisieren Preise innerhalb gesellschaftlich festgelegter Grenzen, dass »sich Produktion und Konsumtion nicht proportional entwickeln« (Behrens 1961, 82). Sie sind zwar nicht mit Blick auf langfristige Entwicklungen, wohl aber in kurzer Frist ein Gradmesser für notwendige Veränderungen und Anpassungen der Produktion (Bischoff/Draheim 2003, 11). »Die Vorteile des Marktmechanismus liegen in seiner relativ raschen Reaktionsfähigkeit, der leichteren Anpassung der Produktion an den Konsum und, soweit es sich um wirksame Konkurrenz handelt, in der leistungsförderlichen Anreizfunktion, also in der Anerkennung des Selbstinteresses.« (Zinn 2007).

Das entscheidende Problem im Kapitalismus liegt also nicht in der Vermittlung über Markt und Preis schlechthin, sondern darin, dass die hinter den Märkten wirkende kapitalistische Grundstruktur blind für humane Zwecke und Bedürfnisse ist, durch den Zwang zum Streben nach maximalem Profit getrieben wird, durch Ungleichheit geprägt ist und als krisenhafte Gesellschaftsform zyklisch wie überzyklisch Erwerbslosigkeit wider Willen, Ungleichverteilung, Leid und Armut sowie Umweltzerstörung produziert.

»Auch in einer nachkapitalistischen Gesellschaft wird die Ermittlung des jeweils in einem Produkt enthaltenen Quantums gesellschaftlicher Arbeitszeit weitgehend durch Nachfrage und Zufuhr auf dem Markt erfolgen müssen. Bewusste Gestaltung der gesellschaftlichen Arbeit wird nicht dadurch möglich, dass jeder einzelne Vorgang in ein vorab bestimmtes Reglement eingepasst wird«, sondern »kann nur heißen: die Gesellschaft legt in ihrer politischen Willensbildung die Prioritäten ihrer Entwicklung fest« (Bischoff/Menard 1990, 49 f).

Makroökonomische Planung

Es ist Aufgabe makroökonomischer Planung, die Verteilung des Nationaleinkommens auf Akkumulation und Verbrauch, das Entwicklungstempo der Volkswirtschaft, die Höhe und Art der verfügbaren Einkommen sowie den Geldumlauf zu beeinflussen (vgl. Lange 1956, 360). Fiskal-, Geld-, Lohn-, Arbeitszeit- und Investitionspolitik auf makroökonomischer Ebene werden in qualitativer und quantitativer Hinsicht zu wichtigen Planungsaufgaben. »Übergangsformen hin zu einer nicht-kapitalistischen Gesellschaft [müssen] Markt- und Planelemente kombinieren.« (Ebd.)

Die Vermeidung der dem Kapitalismus eigenen Krisen setzt die Wahrung von vier makroökonomischen Gleichgewichten voraus (vgl. Zinn 1978, 43 ff). Die Investitionsnachfrage muss erstens den Ersparnissen entsprechen. Zweitens muss sie jene Produktionskapazitäten auslasten, die die Investitionen der Vergangenheit geschaffen haben. Diese beiden Gleichgewichte sind »systemindifferente Gleichgewichtsanforderungen« (Zinn 1978, 57). Das dritte, namentlich Verteilungsgleichgewicht zur Erreichung eines angemessenen Profits ist hingegen kapitalismusspezifisch. Da kapitalistische Unternehmen Investitionen nur bei hinreichenden Profiterwartungen tätigen, steht die Gesellschaft vor der Alternative, entweder diesen Erwartungen partiell entgegenzukommen (vgl. Przeworski 1990, 147) oder die Investitionstätigkeit der Verfügung kapitalistischer Unternehmen partiell zu entziehen. Das vierte, so genannte Strukturgleichgewicht betrifft die Vermeidung qualitativer Disproportionen zwischen Angebot und Nachfrage, zwischen den verschiedenen volkswirtschaftlichen Abteilungen wie Konsum und realen Investitionen, zwischen Sektoren wie Industrie und Dienstleitungen oder zwischen Real- und Finanzsphäre und ist ebenfalls systemindifferent, fällt jedoch je nach Produktionsweise unterschiedlich ins Gewicht.

Im Folgenden werden zu beachtende Planungsansätze angerissen. Wenn die Ersparnisse die Investitionen übersteigen – sei dies aufgrund von Überakkumulation, Unterkonsum oder Sättigung –, empfiehlt sich die öffentlich geförderte Steigerung des Konsums sowie der Investitionen. Die Steigerung des Konsums bzw. Absenkung der Ersparnisse ist möglich durch eine umverteilende Steuer- und Transferpolitik von oben nach unten, die die verfügbaren Nettoeinkommen unterer Einkommensgruppen mit höherer Konsumquote steigert und jene höherer Einkommensgruppen reduziert.[1] In dieselbe Richtung gehen Einkommenssteigerungen der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und politische Maßnahmen zur Stärkung der Gewerkschaften, damit diese es besser vermögen, höhere Einkommen der Beschäftigten in der Privatwirtschaft zu erkämpfen.

Die Steigerung der Investitionen ist direkt möglich durch Erhöhung der öffentlichen Investitionen der Gebietskörperschaften und der öffentlichen Unternehmen. Sie ist des Weiteren möglich durch Anregung privater Investitionen und durch öffentliche Planvorgaben, die private Unternehmen zu erfüllen hätten.

Private Investitionen

Die Investitionen einer komplexen Wirtschaft sind nicht nur durch direkte und zentrale öffentliche Investitionstätigkeit und -vorgaben zu bestimmen. Erstreckten sich diese auf die Investitionsentscheidungen aller Unternehmen, würde dies zentralen Gremien eine nicht zu bewältigende Fülle an Entscheidungen auch und gerade dann abverlangen, wenn sie demokratisch verfasst wären. Direkte Interventionen in die private Investitionspolitik sind daher durch Maßnahmen zu ergänzen, die die realen Investitionen privater Unternehmen durch Verbesserung der Gewinnerwartungen indirekt anregen. Dies ist möglich durch Steigerung der Nachfrage, durch Senkung der Kostenbelastung sowie Senkung des Zinssatzes, der die Kosten der Fremdkapitalfinanzierung als auch die Opportunitätskosten alternativer Anlagen auf dem Kapitalmarkt repräsentiert.

Die Verringerung unternehmerischer Kostenbelastung durch Steuersenkung oder staatlich geförderte Lohnmoderation gefährdet die Erfordernisse steigenden Konsums und wachsender öffentlicher Investitionen. Notwendig ist stattdessen die Steuerung der Investitionen in eine sozial erwünschte Richtung durch eine Festlegung der Zinsraten für Unternehmenskredite, die bei geringen Belastungen des Entscheidungsprozesses dennoch demokratisch erfolgen kann (vgl. Roemer 1994, 273). Dies setzt voraus, dass die Autonomie der Zentralbank zugunsten demokratischer Steuerung von Geldmenge und Zinsniveau aufgehoben wird. Grundsätzlich soll ein niedriger Zins private Unternehmen »zu Investitionszwecken ermutigen und öffentliche kreditfinanzierte Ausgaben zu einem niedrigen Schuldendienst ermöglichen« (Schui 2003, 95).[2]

Dass der Zinssatz überhaupt einen Wert größer Null annimmt, hat in Zeit des Überflusses an Kapital nicht damit zu tun, knappe physische Ressourcen auf den Bedarf an Realkapital anzupassen. Vielmehr begründet sich der positive Wert in der Existenz von Profit, an dem die Geld verleihenden Gläubiger partizipieren. Dass nicht nur die öffentliche Hand, die Kreditgeld zu schöpfen in der Lage ist, die Zinsen vereinnahmt, begründet sich in der Existenz privater Konkurrenten auf dem Banken- und Kapitalmarkt, die Einlagen bei sich zu verzinsen bereit sind (vgl. Schui 2003: 95 f).

Die Beeinflussung privater Investitionen durch Zinssenkungen steht jedoch vor dem Problem, dass die Höhe der privaten Investitionen keineswegs allein durch die Höhe des Zinssatzes bestimmt wird. Nur wenn die Rendite den Zinssatz übersteigt, wird eine Investition getätigt (vgl. Keynes 1983 [1936], 114 ff). Die Rendite, von Keynes als Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals bezeichnet, ist derjenige Diskontierungsfaktor, bei dem die Addition der diskontierten erwarteten künftigen Zahlungsmittelüberschüsse genauso hoch ist wie die Anfangsauszahlung der Investition. Eine Senkung des Zinssatzes würde nur jene Investitionen veranlassen, deren Rendite bislang knapp unterhalb, durch die Zinssenkung nun knapp oberhalb des Zinssatzes liegt. Investitionen, deren Rendite bislang schon oberhalb des Zinsniveaus lag, würden unverändert getätigt, Investitionen, deren Rendite weiterhin unterhalb des Zinssatzes lag, würden noch immer unterlassen. Weiter beruht die Rendite auf erwarteten Zahlungsmittelüberschüssen. Liegt eine rezessive Phase vor, so ist es möglich, dass diese sinken und somit die Rendite fällt. Eine Zinssatzsenkung in einer rezessiven Phase wäre unwirksam, wenn sie schwächer ausfiele als die Senkung der Rendite. Dies spricht dafür, private Investitionen auch durch Nachfragepolitik zu beeinflussen.

Profiterwartungen ziehen durch die Ausdehnung umverteilungsbedingter Nachfrage stärker an, als sie durch die umverteilungsbedingten höheren Kosten gedrückt werden. Eine Erhöhung der Konsumquote und eine Ausdehnung der Staatsquote könnten die Gewinnerwartungen ausdehnen, zu höheren privaten Investitionen führen und somit ein Verteilungsgleichgewicht erwirken, das die gesamtgesellschaftlich produzierten und realisierten Gewinne erhöht. Denn letztlich hängt die Höhe der realisierten Profite privater Unternehmen vor allem von ihrer eigenen Investitionsnachfrage ab: Wenn höhere Nachfrage höhere Gewinnerwartungen und somit höhere Investitionen erwirkt, entstehen tatsächlich höhere Gewinne.

Auch hinter dieser Kausalkette steht jedoch ein »aber«. Sie funktioniert nur, wenn die Unternehmen aus höherer Nachfrage tatsächlich per saldo bessere Gewinnerwartungen ableiten. Dies ist keineswegs gewiss. Wenn entgegengesetzt zum beschriebenen Szenario die durch Umverteilung von oben nach unten »resultierenden pessimistisch stimmenden Einflüsse auf die Unternehmenserwartungen jene optimistischen Aussichten, die aus der Nachfragesteigerung folgen, überwiegen, so kommt es eben nicht zu steigenden, sondern möglicherweise zu sinkenden (Erweiterungs-)Investitionen.« (Zinn 2006, 53) Die öffentliche Stimulierung der Investitionsnachfrage muss daher um direkte Formen öffentlicher Investitionstätigkeit ergänzt werden.

Öffentliche Investitionen

Öffentliche Gebietskörperschaften und Betriebe arbeiten nicht gewinnmaximierend. Öffentliche Investitionen sind daher von überragender Bedeutung, wenn es darum geht, Ersparnisse und Investitionen aufeinander anzupassen sowie Kapazitäten durch Nachfrage auszulasten. Darüber hinaus ist es möglich, über öffentliche Investitionspolitik qualitative Disproportionen zwischen Angebot und Nachfrage, zwischen den verschiedenen volkswirtschaftlichen Abteilungen wie Konsum und realen Investitionen, zwischen Sektoren wie Industrie und Dienstleitungen oder zwischen Real- und Finanzsphäre zu vermindern. Öffentliche Investitionspolitik müsste Entscheidungen nicht nur über die Höhe, sondern auch über Inhalt und Art von Investitionen vornehmen. Zu klären wäre mit Blick auf den gesellschaftlichen Bedarf, ob Investitionen erweiternd, modernisierend oder rationalisierend wirken, in welchem Bereich sie stattfinden sollen und zur Produktion welcher von den Haushalten nachgefragten Güter sie zu dienen hätten.

Eine direkte öffentliche Investitionstätigkeit sollte vor allem im Bereich der Ökologie sowie im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge erfolgen. Die endlichen natürlichen Ressourcen und ökologischen Gefährdungen stellen den Rahmen ökologisch ausgerichteter öffentlicher Investitionen. Diese sollten das gesamte ökonomische Terrain einbeziehen und etwa dazu beitragen, die Dominanz des motorisierten Individualverkehrs schrittweise zurückzudrängen und die Investitionen öffentlicher Unternehmen auf ökologische Basis zu stellen – etwa durch Wärmedämmung im kommunalen Wohnungsbau. Eine Ausweitung der öffentlichen Daseinsvorsorge ist zudem ein wesentlicher Hebel, um patriarchale Arbeitsteilung aufzubrechen und die gesellschaftlich notwendige Reproduktionsarbeit zu vergesellschaften. Dadurch vergrößerte sich entsprechend der Umfang gesellschaftlicher Planung, weil der Umfang und Gehalt der Reproduktionsarbeiten, die Qualifikationsprofile der Beschäftigten und deren Einkommensstruktur öffentlich entschieden werden müssten.

Direkter Einfluss auf die Leistungserstellung setzt öffentliches Eigentum voraus. Ein Teil der jetzt privat organisierten Wirtschaft müsste öffentlichem Eigentum zugeführt werden. Auf diese Weise entstünde ein erheblich erweiterter Bereich öffentlicher Daseinsvorsorge. Es geht also nicht nur darum, die Privatisierung bestehender öffentlicher Unternehmen abzuwehren und vormals öffentliche, zwischenzeitlich privatisierte Bereiche wieder in öffentliches Eigentum rückzuführen, etwa durch Rekommunalisierung. Der Rückführungsprozess muss zugleich mit einer Demokratisierung der Entscheidungsstrukturen einhergehen, so dass über die Fragen der Daseinsvorsorge in Mitbestimmungsorganen, über Grundsatzfragen auch in Referenden entschieden werden kann. Nur so ist auch langfristig zu verhindern, dass öffentliche Unternehmen zur Verhandlungsmasse von Amtsträgern degenerieren.

Es geht darüber hinaus um eine qualitative und quantitative Erweiterung öffentlicher Daseinsvorsorge in zentralen Bereichen der Ökonomie. Dies müsste beispielsweise anders als bisher den Banken- und den Energiesektor einschließen, könnte sich aber auch auf Basisstrukturen des industriellen Sektors erstrecken, etwa Nano-Hochtechnologie, Informations- und Kommunikationstechnologie oder die Fahrzeugproduktion. Auch Bereiche der Dienstleistungen sollten in Gänze öffentlichem Eigentum unterstellt werden, etwa der Bereich der Gesundheitsversorgung oder große Teile der Verwaltung des Wohnungssektors.

Investitionslenkung

Demokratische Planung setzt auch voraus, dass private Unternehmen einer öffentlichen Investitionslenkung zu unterwerfen sind. Diese umfasst die direkte Einwirkung der öffentlichen Hand über Genehmigungsverfahren (vgl. Zinn 1976, 15 ff). Nachdem die öffentliche Hand ein langfristig geplantes Investitionsprogramm mit festgelegten Prioritäten formuliert hat, müssten private Unternehmen ihre geplanten Investitionen öffentlich anzeigen. Durch Abgleich des öffentlichen Programms mit der Summe aller privaten Investitionstätigkeiten wäre es möglich, Diskrepanzen zwischen gesellschaftlichem Investitionsbedarf und geplanter privater Investitionstätigkeit herauszuarbeiten.

Wird der Bedarf quantitativ unterschritten, wäre es Aufgabe der öffentlichen Hand, im Genehmigungsverfahren bevorzugt Großunternehmen Investitionen vorzuschreiben; wird der Bedarf qualitativ verfehlt, wäre es öffentliche Aufgabe, entweder Unternehmen zu veränderten Investitionen anzuhalten oder aber dem einen Unternehmen die geplante Investition zu untersagen und einem anderen Unternehmen eine vorzunehmende Investition vorzuschreiben. Wird der Bedarf quantitativ oder qualitativ überschritten, etwa durch zu stark kapazitätserweiternde Investitionen, so müsste die öffentliche Hand den Stopp dieser Investitionen vorgeben.

Arbeit in einer demokratisch geplanten Ökonomie

Demokratische Planung muss sowohl die Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit als auch ihre konkrete Gestaltung gewährleisten. Eine andere Verteilung ist notwendig, weil das Konsumwachstum in entwickelten Volkswirtschaften wegen zunehmender Sättigung begrenzt ist und daher die Ersparnisse womöglich trotz ausgedehnter öffentlicher und privater Investitionstätigkeit größer bleiben als die Investitionen. Ist dadurch das Wachstum des BIP geringer als jenes der Arbeitsproduktivität, sinkt das gesellschaftliche Arbeitsvolumen. Die Arbeitszeit muss also kollektiv verkürzt werden, soll Arbeitslosigkeit verhindert werden.

Auch die Frage der Gestaltung ist von Bedeutung. Arbeitsstellen sollten als Resultat freier, individueller und kollektiver Aushandlungen zwischen Unternehmen und Arbeitsuchenden besetzt werden. Bei Vorhandensein einer repressionsfreien, armutsfesten Mindestsicherung für alle bedürftigen Personen und unter Aufhebung der Dominanz des Privateigentums an Produktionsmitteln verändert sich der Charakter des Arbeitsmarktes erheblich. Die Machtasymmetrie zwischen überlegenen Unternehmen und unterlegenen Arbeitenden wird reduziert: im Privatbereich durch Reduzierung der Krisenanfälligkeit und massive makroökonomisch indizierte Reduzierung der Erwerbslosigkeit sowie durch gesetzliche Schutzvorschriften zugunsten der Arbeitenden; in öffentlichen oder genossenschaftlich geführten Unternehmen durch eine gemeinwirtschaftliche Ausrichtung jenseits der Profitmaximierung. Arbeitskräfte müssen aufgrund eines ausgebauten Sozialsystems keine Deprivation befürchten, wenn sie eine bestimmte Beschäftigung nicht aufnehmen wollen. Trotzdem handelt es sich noch um einen Arbeitsmarkt, insofern die Arbeitsuchenden bei knappen Arbeitsstellen um diese konkurrieren und Unternehmen weiterhin entscheiden, wer eingestellt wird. Kurzfristige Erwerbslosigkeit würde also fortbestehen.

Da die Einzelunternehmen Mindestlöhne und Höchsteinkommen für Leitungspersonal beachten müssten, gäbe es keine Unterbietungskonkurrenz bei den Arbeitsentgelten und auch keine exzessiven Vergütungen. Die Höhe der Vergütungen sollten Unternehmensverbände im Konflikt mit Gewerkschaften aushandeln. Für unterschiedliche Qualifikationen würde es weiterhin unterschiedliche Entgeltstufen geben, jedoch mit deutlich geringeren Disparitäten. Die Ausgestaltung des Bildungs- und Ausbildungssystems muss in viel stärkerem Maße demokratischen Entscheidungen zugänglich gemacht werden. Die Individuen könnten dabei zwischen den verfügbaren Bildungs- und Ausbildungsangeboten frei auswählen. Bildung und Ausbildung werden in unentgeltlichen öffentlichen Einrichtungen nicht nur, aber auch funktional auf die Profile zu planender Berufsbilder auszurichten sein. Damit die freie Wahl der Berufsausbildung tatsächlich gegeben ist und Konkurrenz zwischen den Bewerbern deutlich eingeschränkt wird, werden öffentliche Bildungseinrichtungen bewusst ein Überangebot an belegbaren Plätzen vorhalten müssen. Durch die Steuerung der Ökonomie über demokratische Entscheidungsverfahren verfällt auch die aktuell dominante Tendenz, das Bildungsangebot nach privatwirtschaftlichen Konkurrenzkriterien zu ordnen.

Die freie Wahl der Individuen, welche Qualifikationen sie für sich als geeignet ansehen, erhöht die Innovationsfähigkeit einer Gesellschaft mit demokratisch geplanter Ökonomie. Damit wird in Kauf genommen, dass der Bedarf an manchen Qualifikationen in geringem Ausmaß unterschritten und an anderen geringfügig überschritten wird.

Ist es noch Kapitalismus?

Demokratische Planung muss die gesellschaftliche Entwicklung bewusst steuern und darf sie nicht der Willkür privater Kapitaleigentümer und der Anarchie der Konkurrenz überlassen. Gemeint ist damit nicht, dass Überschussproduktion keine Rolle mehr spielen darf, sondern dass die maßlose Tauschwertmaximierung an gesellschaftlichen Notwendigkeiten der Menschheit vorbei ihr Ende finden muss. Überschussproduktion ist nicht dasselbe wie Profitmaximierung. Dass Betriebe mehr produzieren können, als die unmittelbaren Produzenten unmittelbar für sich brauchen, ist Voraussetzung für eine hoch entwickelte Ökonomie. Der entscheidende Punkt ist, dass über einen wesentlichen Teil des gesellschaftlichen Überschusses von den Menschen für die Menschen verfügt wird. Dies stellt eine Abkehr von der Profitsteuerung kapitalistischer Gesellschaften dar: Erstens begrenzen Mindestlöhne und Höchsteinkommen die Profitentstehung in der Primärverteilung. Zweitens führt die staatliche Besteuerung von Profiten dazu, dass die Verwendung von Überschüssen der Verfügung privater Unternehmen entzogen und öffentlichen Investitionen, öffentlichem Konsum und gesellschaftlicher Umverteilung zugeführt wird. Drittens stellen preis- und mengenpolitische öffentliche Vorgaben sowie gesellschaftliche Investitionslenkung deutliche Einschränkungen der privaten unternehmerischen Verfügung dar. Die demokratische Steuerung von Investitionen überwindet dysfunktionale und demokratietheoretisch kritikwürdige Merkmale kapitalistischer Ökonomien, denn »der Akkumulationsprozess (bestimmt) die Investitionstätigkeit, den Herzschlag des modernen Wirtschaftskörpers« (Zinn 2007).

Politische Steuerung und Planung sind bereits im Kapitalismus möglich. Die Erfahrung mit Mixed Economies und den auf strategische Planung und Industriepolitik setzenden Tigerstaaten sind dafür eindrucksvolle Beispiele. Für die Ziele sozialistischer Reformpolitik sind sie nur begrenzt von Nutzen, weil sie in Umfang und Wirkung beschränkt, verteilungspolitisch und ökologisch unzureichend waren und zudem völlig ohne Demokratisierung ökonomischer Entscheidungsprozesse auskamen.

Politische und gesellschaftliche Einbettung

Demokratische Planung benötigt gesellschaftliche Einbettung. Wenn, wie oben diskutiert, das Problem ökonomischer Ungleichgewichte nicht in Gänze verschwindet und politische Konflikte in der Herstellung und Verteilung von Gütern und Dienstleistungen fortbestehen, dann braucht auch eine vergesellschaftete Ökonomie entsprechende Vorkehrungen zur Konfliktregulierung. Die einzige dieser Aufgabe gewachsene Form der institutionalisierten Selbsteinwirkung und Konfliktregulierung, die Gesellschaften heute kennen, ist der Staat, freilich nicht in dieser Allgemeinheit, sondern als widersprüchlich ausdifferenziertes und umkämpftes Terrain. Dies impliziert nicht nur eine Kritik an der Vorstellung, die vorgestellten Planungsformen ließen sich ohne Widerstand im heutigen Staat durchsetzen, sondern es fragt sich, ob der Staat in seiner heutigen Form überhaupt dazu geeignet ist, den beschriebenen Anforderungen zu genügen:

1. Welche Wege bieten sich an, damit der Staat trotz fortbestehender privater Unternehmen sich nicht in einem Hickhack widerstreitender Interessen von Kapital und Bevölkerung verstrickt? Wie kann überhaupt die ungleiche Organisierbarkeit gesellschaftlicher Interessen über öffentliche Institutionen abgeschafft, zumindest reduziert werden? Demokratische Entscheidungsgremien nicht zu überlasten und keine Verfahrensblockaden zu schaffen, wird ein schwieriges Probleme sein.

2. Welche Reichweite kann Planung angesichts der heute erreichten gesellschaftlichen Komplexität erreichen? Wozu sind die real existierenden Staatsapparate nach zwei Jahrzehnten ›Verschlankung‹ und Outsourcing überhaupt noch in der Lage?

3. Wie kann es gelingen, dass öffentliche Instanzen wie Staatsabteilungen, kommunale Verwaltungen und öffentliche Unternehmen demokratisch verfasst sind und bleiben? Welche Kompetenzen sollen zentralstaatliche Entscheidungsorgane besitzen, welche dezentrale, welche öffentliche Unternehmen, welche die Beschäftigten in den öffentlichen Instanzen, welche die Konsumenten? Bislang fehlen weithin Erfahrungen mit der Planung in demokratischen Formen, so dass es zu Suchprozessen um geeignete Institutionen und Verfahren kommen wird. Schon heute ist klar, dass alle wichtigen Entscheidungen Kriterien von ökologischer Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit (bspw. geschlechtergerechte Verteilung der Ressourcen) werden genügen müssen.

4. Welche Reichweite haben nationalstaatliche Entscheidungen noch im transnationalen High-Tech-Kapitalismus mit seinem hohen Grad internationaler Verflechtungen? Wie können die jeweiligen Planungsprogramme mit den Vorgaben übergeordneter Ebenen abgestimmt werden? Für nationalstaatliche Planungsprogramme wären Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene, für Pläne regionaler und lokaler Gebietskörperschaften solche auf nationaler Ebene festzulegen.

Auch über die sozialen Voraussetzungen einer demokratisch geplanten Ökonomie wissen ist bislang nur wenig bekannt; insofern handelt es sich im Folgenden zunächst nur um durch vorhandene Literatur informierte Hypothesen.

1. Die Wertschätzung für öffentliche Güter müsste zweifelsohne gestärkt werden, wenn die Beteiligung am Erwerbsleben nicht mehr vorrangig durch die Aussicht auf hohes monetäres Einkommen motiviert sein soll. Diese ist ausgeschlossen wegen der mit geplanter Ökonomie verbundenen höheren Priorität für sozialen anstelle von individuellem Konsum (vgl. Nove 1994, 206) sowie durch die Abschaffung leistungsloser Gewinneinkommen.

2. Transfereinkommen, die aus fiskalischer Abschöpfung von Arbeitseinkommen finanziert werden, muss es in höherem Umfang als heute geben (vgl. Marx‘ Formulierung in seiner Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, 21). Denn eine demokratisch geplante Ökonomie braucht viel dringender als der Kapitalismus eine »Handicapologie« (Castel 2000, 27), d.h. ein System normativer Maßstäbe dafür, welchen der unterschiedlichen Individuen unter welchen Umständen und unter welchen individuellen Voraussetzungen welches Arbeitspensum zugemutet werden darf. Die periodisch in den reifen Wohlfahrtsstaaten aktivierten Hetzkampagnen zum angeblichen »Missbrauch« zeigen, wie wichtig die Disposition der Solidarität ist, um Steuern und Abgaben auf Arbeitseinkommen zugunsten weniger oder nicht arbeitender Menschen zu rechtfertigen (vgl. Offe 2003, 270).

3. Unverzichtbar ist ein gesellschaftlicher Konsens über die Art der Gesellschaft, in der die Menschen leben wollen. Die Politisierung des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses bringt es mit sich, dass zuvor kaum öffentlich ausgehandelte Aspekte der gesellschaftlichen Struktur, der politischen Regierung und der Kultur explizit zur Entscheidung stehen; selbstredend mit dementsprechend höherem Konfliktpotenzial. Auf diese Weise kommen in bisherigen Gesellschaftsstrukturen reproduzierte Herrschaftsbeziehungen und Privilegien auf den Prüfstand. Verteilung und Allokation sind in einer nachkapitalistischen Ökonomie offensichtlich öffentliche Aufgaben, wohingegen sie in kapitalistischen Gesellschaften als Naturtatsache hingenommen werden, obwohl die auf Privateigentum basierende Produktionsweise mit ihren Verteilungs- und Allokationsmechanismen nicht vom Himmel fällt, sondern gesellschaftliches Ergebnis ist. Das ändert sich, sobald diese Aufgaben als Ergebnis öffentlicher Aushandlungen erscheinen. Gegen diese sichtbare Form der Herrschaft kann sich Unzufriedenheit der Betroffenen leichter artikulieren. Es entsteht Konfliktpotenzial, auf dessen spannungsfreie Auflösung zu hoffen sträflich wäre. Erstens stünden den Arbeitenden (angesichts des verringerten Drucks zur Arbeitsaufnahme) auch niedrigschwellige Maßnahmen des Protests zur Verfügung wie »Dienst nach Vorschrift«. Zweitens verlangt die größere Reichweite demokratisch-politischer Entscheidungen Institutionen zu ihrer Regulierung, die selbst wiederum Gegenstand von Kämpfen werden. Drittens sind auch bei einem signifikant höheren Bildungsstand aller Beteiligten Experten nicht verzichtbar. Deren Autorität zu akzeptieren und gleichzeitig den Spielraum genuin demokratischer Entscheidungen auszumachen, verlangt einen Konsens, der entweder durch eine Verfassung oder funktionsäquivalent durch andere Selbstbindungen festgelegt wird.

4. Noch nicht klar ist weiter, wie die unvermeidliche Spannung zwischen individueller und kollektiver Rationalität aufgelöst werden soll. Der Einwand von Liberalen wie Milton Friedman gegen eine geplante Ökonomie lautet, dass sie die freie Entfaltung subversiver, in diesem Falle nicht-sozialistischer Ideen beschränken muss, und zwar selbst unwillentlich aufgrund der beschränkten Ressourcen, die diesen zur Verfügung gestellt werden (vgl. Friedman 1971, 38 f). »Soweit ich sehen kann, hat bisher noch keiner von denen, die sowohl für Sozialismus als auch für Freiheit sind, diese Probleme ganz durchdacht oder gar damit begonnen, die institutionellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Freiheit unter dem Sozialismus möglich würde.« (41). Um die Lösung dieses Problems gruppieren sich im Wesentlichen zwei Positionen:

Die eine tendiert in Richtung des Marktsozialismus und fordert wie Alec Nove (1994, 186 ff) die Zulassung kleinerer privater Unternehmenseinheiten, damit oppositionellen Positionen ausreichend Kapazitäten für die Artikulation und Verbreitung ihrer Meinung zur Verfügung stehen. Andere plädieren für öffentliche und zugangsoffene Institutionen und Netzwerke, wie sie Diane Elson für die Schaffung »sozialisierter Märkte« vorsieht (1988, 32 ff). In jedem Fall gilt es sicherzustellen, dass die Meinung Andersdenkender unter den Bedingungen demokratischer Planung gehört werden kann.

Literatur

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[1] Dahinter steht die Keynessche Annahme, dass Ersparnisse vor allem vom verfügbaren Einkommen und weniger von der Höhe des Zinssatzes abhängig sind (vgl. Keynes 1985 [1936], 78-81). Die Ersparnisse zu regulieren, muss daher an der Veränderung der Verteilungsstrukturen des verfügbaren Einkommens ansetzen.

[2] Dass der Zinssatz überhaupt einen Wert größer Null annimmt, hat in Zeit des Überflusses an Kapital nicht damit zu tun, knappe physische Ressourcen auf den Bedarf an Realkapital anzupassen. Vielmehr begründet sich der positive Wert in der Existenz von Profit, an dem die Geld verleihenden Gläubiger partizipieren. Dass nicht nur die öffentliche Hand, die Kreditgeld zu schöpfen in der Lage ist, die Zinsen vereinnahmt, begründet sich in der Existenz privater Konkurrenten auf dem Banken- und Kapitalmarkt, die Einlagen bei sich zu verzinsen bereit sind (vgl. Schui 2003: 95 f).

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