1 Einleitung
Aufgabe dieses Textes ist es, den Luxuskonsum in den Reproduktionsschemata algebraisch und arithmetisch einzuordnen. Wesentliche Inspirationen hat dieser Artikel bezogen aus der Lektüre des exzellenten Artikels von Zinn, Karl Georg: Konsum und Krise bei Marx. Analyse der konsumtheoretischen Implikationen in den Reproduktions- und der Krisentheorie und die Sonderstellung des Luxus, in: Jahrbuch für Sozialwissenschaft, Bd. 21/1970, S. 302-326. Etwaige Fehler gehen selbstredend nur zu meinen Lasten.
Eine Ergänzung des Textes i) um die Berücksichtigung der erweiterten Reproduktion auch bei den Spezifikationen, ii) um die Erwägung nicht-uniformer Werte bei der organischen Zusammensetzung des Kapitals sowie iii) um die Einordnung der Möglichkeit, dass nicht die Mehrwertrate uniform ist, sondern die Profitrate, erfolgt womöglich später. Auch die Darstellung ökonomischer und politischer Implikationen als eigentlich zentralem Ansatzpunkt der Untersuchung erfolgt erst später, wird aber hier vorbereitet.
Wir unterscheiden
- die Produktionsmittelabteilung I, die Produktionsmittel herstellt, also Arbeitsgegenstände wie Rohstoffe und Vorprodukte sowie Arbeitsmittel wie Maschinen;
- die Basiskonsumgüterabteilung IIa, die notwendige Konsumgüter herstellt;
- die Luxuskonsumgüterabteilung IIb, die nicht notwendige Luxuskonsumgüter herstellt.
2 Herleitung der allgemeinen Reproduktionsgleichungen
2.1 Produktionsmittelabteilung I
2.1.1 Angebot
Die Produktionsmittelabteilung I stellt als Angebot folgende Wertsumme her:
Der Mehrwert kann in der Produktionsmittelabteilung I verwendet werden
- zur Akkumulation in Form zusätzlicher Produktionsmittel im Wert von
,
- zur Akkumulation in Form zusätzlicher Arbeitskräfte im Wert von
,
- für notwendigen Kapitalistenkonsum
sowie
- für nicht notwendigen, gleichsam unnötigen Kapitalistenluxuskonsum
.
Es folgt:
2.1.2 Nachfrage
Wer braucht Produktionsmittel? Nachfrage hiernach erzeugt
- die Produktionsmittelabteilung I für ihren Grundstock an Produktionsmitteln im Wert von
und für Akkumulation in Form zusätzlicher Produktionsmittel im Wert von
;
- die Basiskonsumgüterabteilung IIa für ihren Grundstock an Produktionsmitteln im Wert von
und für Akkumulation in Form zusätzlicher Produktionsmittel im Wert von
;
- die Luxuskonsumgüterabteilung IIb für ihren Grundstock an Produktionsmitteln im Wert von
und für Akkumulation in Form zusätzlicher Produktionsmittel im Wert von
.
2.1.3 Gleichgewicht: Angebot = Nachfrage
Im Gleichgewicht der Produktionsmittelabteilung I entsprechen Angebot und Nachfrage einander:
Durch Wegstreichung ergibt sich die Reproduktionsgleichung der Produktionsmittelabteilung I:
2.2 Basiskonsumgüterabteilung IIa
2.2.1 Angebot
Die Basiskonsumgüterabteilung IIa, die notwendige Konsumgüter herstellt, stellt als Angebot folgende Wertsumme her:
Auch in der Basiskonsumgüterabteilung IIa kann der Mehrwert verwendet werden
- zur Akkumulation in Form zusätzlicher Produktionsmittel im Wert von
,
- zur Akkumulation in Form zusätzlicher Arbeitskräfte im Wert von
,
- für notwendigen Kapitalistenkonsum
sowie
- für nicht notwendigen Kapitalistenluxuskonsum
.
Es folgt:
2.2.2 Nachfrage
Wer braucht notwendige Konsumgüter? Nachfrage hiernach erzeugt
- die Produktionsmittelabteilung I für ihren Grundstock an notwendigen Konsumgütern für ihre Arbeitskräfte im Wert von
, für Akkumulation in Form zusätzlicher notwendiger Konsumgüter für ihre zusätzlichen Arbeitskräfte im Wert von
und für notwendigen Kapitalistenkonsum
;
- die Basiskonsumgüterabteilung IIa für ihren Grundstock an notwendigen Konsumgütern für ihre Arbeitskräfte im Wert von
, für Akkumulation in Form zusätzlicher notwendiger Konsumgüter für ihre zusätzlichen Arbeitskräfte im Wert von
und für notwendigen Kapitalistenkonsum
;
- die Luxuskonsumgüterabteilung IIb für ihren Grundstock an notwendigen Konsumgütern für ihre Arbeitskräfte im Wert von
, für Akkumulation in Form zusätzlicher notwendiger Konsumgüter für ihre zusätzlichen Arbeitskräfte im Wert von
und für notwendigen Kapitalistenkonsum
;
2.2.3 Gleichgewicht: Angebot = Nachfrage
Im Gleichgewicht der Basiskonsumgüterabteilung IIa entsprechen wieder Angebot und Nachfrage einander:
Durch Wegstreichung ergibt sich die Reproduktionsgleichung der Basiskonsumgüterabteilung IIa:
2.3 Luxuskonsumgüterabteilung IIb
2.3.1 Angebot
Die Luxuskonsumgüterabteilung IIb stellt als Angebot folgende Wertsumme her:
Auch in der Luxuskonsumgüterabteilung IIb kann der Mehrwert verwendet werden
- zur Akkumulation in Form zusätzlicher Produktionsmittel im Wert von
,
- zur Akkumulation in Form zusätzlicher Arbeitskräfte im Wert von
,
- für notwendigen Kapitalistenkonsum
sowie
- für nicht notwendigen Kapitalistenluxuskonsum
.
Es folgt:
2.3.2 Nachfrage
Wer braucht Luxuskonsumgüter? Nachfrage hiernach erzeugen
- die Kapitaleigner der Produktionsmittelabteilung I für Luxuskonsumgüter im Wert von
;
- die Kapitaleigner der Basiskonsumgüterabteilung IIa für Luxuskonsumgüter im Wert von
;
- die Kapitaleigner der Luxuskonsumgüterabteilung IIb für Luxuskonsumgüter im Wert von
.
2.3.3 Gleichgewicht: Angebot = Nachfrage
Im Gleichgewicht der Luxuskonsumgüterabteilung IIb entsprechen auch hier wieder Angebot und Nachfrage einander:
Durch Wegstreichung ergibt sich die Reproduktionsgleichung der Luxuskonsumgüterabteilung IIb:
2.4 Zusammenfassung der allgemeinen Reproduktionsgleichungen
Wir haben drei allgemeine Reproduktionsgleichungen:
(ARG Produktionsmittelabteilung I)
(ARG Basiskonsumgüterabt. IIa)
(ARG Luxuskonsumgüterabteilung IIb)
3 Herleitung der allgemeinen Gleichgewichtsbeziehungen
Doch nicht nur das gesamte System muss reproduktiv sein, sondern auch die Beziehungen zwischen allen einzelnen Abteilungen müssen gleichgewichtig aufgehen.
3.1 Produktionsmittelabteilung I zu Basiskonsumgüterabteilung IIa
Die Produktionsmittelabteilung I liefert der Basiskonsumgüterabteilung IIa den Grundstock an Produktionsmitteln im Wert von und für Akkumulation zusätzliche Produktionsmittel im Wert von
.
Umgekehrt liefert die Basiskonsumgüterabteilung IIa der Produktionsmittelabteilung I notwendige Konsumgüter für deren Arbeitskräfte im Wert von , für deren zusätzliche Arbeitskräfte im Wert von
und für deren Kapitalisten im Wert von
.
(GB I zu IIa)
3.2 Produktionsmittelabteilung I zu Luxuskonsumgüterabteilung IIb
Die Produktionsmittelabteilung I liefert der Luxuskonsumgüterabteilung IIb den Grundstock an Produktionsmitteln im Wert von und für Akkumulation zusätzliche Produktionsmittel im Wert von
.
Umgekehrt liefert die Luxuskonsumgüterabteilung IIb der Produktionsmittelabteilung I Luxuskonsumgüter für deren Kapitalisten im Wert von .
(GB I zu IIb)
3.3 Basiskonsumgüterabteilung IIa zu Luxuskonsumgüterabteilung IIb
Die Basiskonsumgüterabteilung IIa liefert der Luxuskonsumgüterabteilung IIb notwendige Konsumgüter für deren Arbeitskräfte im Wert von , für deren zusätzliche Arbeitskräfte im Wert von
und für deren Kapitalisten im Wert von
.
Umgekehrt liefert die Luxuskonsumgüterabteilung IIb der Basiskonsumgüterabteilung IIa Luxuskonsumgüter für deren Kapitalisten im Wert von .
(GB IIa zu IIb)
3.4 Zusammenfassung der allgemeinen Gleichgewichtsbeziehungen
(GB I zu IIa)
(GB I zu IIb)
(GB IIa zu IIb)
3.5 Darstellung der allgemeinen Gleichgewichtsbeziehungen als Matrix
Nachfolgende Tabelle zeigt spaltenweise die Komposition des Angebots einer Abteilung und zeilenweise die Zusammensetzung von deren Nachfrage. Es leuchtet ein, dass gleichgewichtige Beziehungen zwischen allen einzelnen Abteilungen zur Folge haben, dass die drei allgemeinen Reproduktionsgleichungen erfüllt werden.
Abteilung |
I |
IIa | IIb |
Gesamt |
I |
||||
IIa |
||||
IIb |
||||
Summe |
|
|
4 Einfache Reproduktion inklusive Spezifikationen
Im Weiteren werden wir das System einerseits in seiner Komplexität reduzieren, indem auf die einfach Reproduktion ohne Akkumulation abgestellt wird. Andererseits werden wir Spezifikationen vornehmen.
4.1 Allgemeine Reproduktionsgleichungen (ARG)
Wir haben drei allgemeine Reproduktionsgleichungen:
(ARG Produktionsmittelabteilung I)
(ARG Basiskonsumgüterabt. IIa)
(ARG Luxuskonsumgüterabteilung IIb)
Ohne Erweiterung der Reproduktion ergibt sich:
(ARG Produktionsmittelabteilung I)
(ARG Basiskonsumgüterabteilung IIa)
(ARG Luxuskonsumgüterabteilung IIb)
4.2 Gleichgewichtige Beziehungen (GB) vor Spezifikation
Wir haben drei gleichgewichtige Beziehungen:
(GB I zu IIa)
Wir schreiben nun die gleichgewichtigen Beziehungen für den Fall der einfachen Reproduktion auf, bei der es keine Akkumulation gibt.
(GB I zu IIa)
(GB I zu IIab)
(GB IIa zu IIb)
Nun kommen Spezifikationen ins Spiel.
4.3 Spezifikationen
Wir gehen erstens von einer gegebenen Mehrwertrate aus, also einem konstanten Verhältnis zwischen Mehrwert
und vorgeschossenem Kapital für Löhne
.
Zweitens heißt das vorgeschossene Kapital und verteile sich in allen Abteilungen zu einem gleichen Anteil
auf konstantes Kapital und zu
auf variables Kapital, so dass gilt
bzw.
. Dann gilt für die organische Zusammensetzung
,
und
, so dass in allen Abteilungen die organische Zusammensetzung konstant
ist.
Drittens teile sich der Konsum der Kapitalisten aus dem Mehrwert in allen Abteilungen gleichermaßen gemäß einer Luxuskonsumquote auf in notwendigen Konsum in Höhe von
und in Luxuskonsum in Höhe von
.
Mit diesen Spezifikationen lassen sich die drei Gleichungen der gleichgewichtigen Beziehungen wie folgt darstellen:
4.4 Produktionsmittelabteilung I zu Basiskonsumgüterabteilung IIa
(GB I zu IIa)
4.5 Produktionsmittelabteilung I zu Luxuskonsumgüterabteilung IIb
(GB I zu IIb)
4.6 Basiskonsumgüterabteilung IIa zu Luxuskonsumgüterabteilung IIb
(GB IIa zu IIb)
4.7 Gleichgewichtige Beziehungen (GB) nach Spezifikation
Wir haben drei gleichgewichtige Beziehungen:
(GB I zu IIa)
(GB I zu IIb)
(GB IIa zu IIb)
4.8 Dokumentarische Zusammenführung der Konsumgüterabteilungen
Wir führen nun zwei Gleichungen zusammen:
Es folgt bei Addition:
(ARG I zu II)
Dies ist die bekannte Reproduktionsgleichung ohne Aufteilung in zwei Konsumgüterabteilungen, die aus dokumentarischen Gründen gezeigt wird.
Im weiteren soll durch Zusammenführung der Ergebnisse eine Art Produktionsfunktion für alle drei Abteilungen hergeleitet werden.
5 Produktionsfunktionen
5.1 Produktionsmittelabteilung I
Wir greifen auf die bereits vorgestellte Angebotsgleichung zurück:
Ohne Akkumulation gilt:
Mit den eingeführten Spezifikationen gilt:
Wir vereinfachen wie folgt:
Und weiter:
5.2 Basiskonsumgüterabteilung IIa
Wir greifen auch hier auf die bereits vorgestellte Angebotsgleichung zurück:
Ohne Akkumulation gilt:
Mit den eingeführten Spezifikationen gilt:
Zur Vereinfachung fassen wir zunächst Basis- und Luxuskonsum zusammen:
Um später vereinfachen zu können, wählen wir einen Weg, der zunächst umständlich erscheint:
Zur Vereinfachung operieren wir nun mit der organischen Zusammensetzung des Kapitals:
Dies setzen wir in die Angebotsgleichung ein:
Wir fassen zusammen:
In diese Gleichung setzen wir nun folgende Reproduktionsgleichung für ein:
(GB I zu IIa)
Dann folgt:
Wir vereinfachen weiter:
5.3 Luxuskonsumgüterabteilung IIb
Wir greifen auch hier auf die bereits vorgestellte Angebotsgleichung zurück:
Ohne Akkumulation gilt:
Mit den eingeführten Spezifikationen gilt:
Zur Vereinfachung fassen wir auch hier zunächst Basis- und Luxuskonsum zusammen:
Um später vereinfachen zu können, wählen wir erneut den Weg, der zunächst umständlich erscheint:
Zur Vereinfachung operieren wir wieder mit der organischen Zusammensetzung des Kapitals:
Dies setzen wir wieder in die Angebotsgleichung ein:
Wir fassen zusammen:
In diese Gleichung setzen wir nun folgende Reproduktionsgleichung für ein:
(GB I zu IIb)
Dann folgt:
Wir vereinfachen weiter:
5.4 Zusammenfassung der Produktionsfunktionen nach Spezifikation
Wir haben drei Produktionsfunktionen:
(PF Produktionsmittelabteilung I)
(PF Basisk.g.abt. IIa)
(PF Luxuskonsumgüterabteilung IIb)
Das Fazit lautet also: Unter den Bedingungen
- reproduktiver Verhältnisse in allen drei Abteilungen sowie gleichgewichtiger Beziehungen zwischen den Abteilungen,
- einer uniformen organischen Zusammensetzung des Kapitals
in allen Abteilungen,
- einer uniformen Mehrwertrate
in allen Abteilungen
hängt der Wert der Produktion in jeder Abteilung vom vorgeschossenen Kapital in Abteilung I , von der Mehrwertrate
, vom Anteil des konstanten Kapitals am gesamten vorgeschossenen Kapital
sowie der Luxuskonsumquote
ab. Dabei gilt:
Das heißt: Bei steigender Luxuskonsumquote verändert sich der Wert der Produktion von Abteilung I gar nicht, wohingegen jener der Basiskonsumgüterabteilung IIa sinkt und jener der Luxuskonsumgüterabteilung IIb steigt.
Da ist, gilt:
.
Die gesamte Produktion verändert sich also nicht bei Veränderungen der Luxuskonsumquote .
5.5 Weitere Ergebnisse der Matrix
5.5.1 Produktionsmittelabteilung I
5.5.2 Basiskonsumgüterabteilung IIa
Bekanntlich gilt:
(GB I zu IIa)
Dann folgt:
5.5.3 Luxuskonsumgüterabteilung IIb
Hier gilt wie gezeigt:
(GB I zu IIb)
Dann folgt:
5.5.4 Vorgeschossenes Kapital in der gesamten Konsumgüterabteilung
5.6 Darstellung der allgemeinen Gleichgewichtsbeziehungen als Matrix mit konkreten Werten laut Marx
Zur Verdeutlichung führen wir einerseits das Marxsche Beispiel einer einfachen Reproduktion an, bei der es keine Akkumulation gibt und bei dem mit konkreten Zahlen gearbeitet wird (Marx, Karl: Das Kapital, Band II, in: MEW 24, S. 405 ff.). Mit ,
,
und
folgt:
Abteilung |
I |
IIa | IIb |
Gesamt |
I |
||||
IIa |
||||
IIb |
||||
Summe |
|
|
|
Andererseits kann hier eine Excel-Tabelle heruntergeladen werden, um die Rechenoperation “auf eigene Faust” nachvollziehen zu können.