Nachfolgender Beitrag wurde von Alexander Recht im März 2020 vor der Kommunalwahl als wohnungspolitische Wortmeldung bei Facebook eingebracht.
Einleitung
In den kommenden Wochen werde ich zu ausgewählten kommunalpolitischen Themen Wortmeldungen fabrizieren. Als Sozialist bin ich parteiisch und habe eine Präferenz für meine eigene Partei DIE LINKE, die ich auch wählen werde und deren Wahl ich empfehle.
Ich lege jedoch Wert auf die Feststellung, dass ich nicht nur in der LINKEN gute Wohnungspolitiker kenne, sondern auch in anderen Parteien links der Mitte, etwa in der SPD und den Grünen. Und: Auch in CDU und FDP gibt es kompetente Wohnungspolitiker. Dass ich mit linken Wohnungspolitikern eine größere Übereinstimmung habe, ist keine Überraschung, aber auch im Dialog mit nicht linken Wohnungspolitikern lässt sich lernen.
Auch wenn ich Mitglied der LINKEN bin, gilt: Meine Wortmeldungen geben meine persönlichen Auffassungen wieder und nicht die der Partei. Nicht mit allen Positionen des Kommunalwahlprogramms meiner Partei stimme ich überein, aber mit vielen. Ich werde meine Übereinstimmung, von Fall zu Fall aber auch meinen Dissens benennen. Was die Form anbetrifft, versuche ich so weit wie möglich Fachchinesisch und Rechnereien zu vermeiden und beanspruche keine Vollständigkeit in allen thematischen Details.
Wohnungsnot
„Wohnen ist Menschenrecht und gehört zur Daseinsvorsorge. Der Staat muss dafür sorgen, dass alle Menschen eine gute und bezahlbare Wohnung haben“, sagt DIE LINKE Köln in ihrem Kommunalwahlprogramm zurecht. In Köln herrscht aber leider Wohnungsnot – anders formuliert: Das Angebot an Wohnraum reicht nicht aus, um den Bedarf der Haushalte zu decken. Eine Folge dieser Knappheit: Die Mieten steigen. Das wiederum belastet den Geldbeutel von Haushalten mit geringem und mittlerem Einkommen.
Was tun? Interessanterweise sind sich fast alle Parteien einig, dass Wohnungspolitik nicht nur dem freien Markt überlassen werden darf. Das gilt für DIE LINKE, die SPD, die Grünen und andere, kleinere Parteien, aber auch für Teile der CDU. Auch manche Vertreter der privaten Wohnungswirtschaft bekennen sich mittlerweile dazu, dass sozialökologische Aspekte bei der Wohnungspolitik mitzudenken sind. So findet man unter nachfolgendem Link ein Gespräch der Kölner OBin Henriette Reker mit dem Wohngenossenschaftler Michael Schleicher und dem Privatinvestor Christoph Gröner von der CG-Gruppe.
https://www.facebook.com/RekerHenriette/videos/2621864234717998/
Gröner bekennt sich hier zum Ziel 30/20/0. Jeder Bauträger soll 30% seiner Wohnungsbestände öffentlich gefördert errichten, 20% einer Mietpreisdämpfung unterlegen und Netto-Null-CO2-Emissionen verursachen. Dies ist zweifelsohne ein Fortschritt gegenüber neoliberalen Konzepten der 90er und der 00er Jahre, die nur auf den freien Markt und Privatisierung orientierten. Aber reicht das? Um das zu überprüfen, wollen wir kurz auf einige Aspekte der Wohnungspolitik eingehen.
Kosten einer Wohnung
Der Bau einer Wohnung ist mit erheblichem Vorschuss an Kapital verbunden. Die Mieten sollen dazu beitragen, dass das vorgeschossene Kapital wieder reinfließt und ggf. ein Überschuss verbleibt. Hierfür werden die Mieten kalkuliert. In die Mietpreiskalkulation gehen ein: die Eigenkapitalkosten durch entgangene Zinsen des gebundenen Eigenkapitals, die Fremdkapitalkosten durch Zinsen auf aufgenommene Kredite, die Abschreibungen durch Verschleiß aus Gebäudenutzung, die Kosten für Instandhaltung und -setzung, die Kosten für Verwaltung und die Kosten für Mietausfall.
Aktuell ergibt sich auf Grundlage der gegebenen Bedingungen im Schnitt eine von mir mal so bezeichnete Kostenmiete von etwa 10 €/qm. Dies ist nicht wenig – und für ärmere Haushalte ist es zu viel. Für geringverdienende Haushalte sind nur ca. 7 €/qm erschwinglich, für mittlere Einkommensgruppen nur preisgedämpfte Mieten bis 10 €/qm.
Was treibt die Kostenmiete auf 10 €/qm? Es sind die hohen Bodenpreise, deren Finanzierung hohe Kapitalkosten nach sich zieht. Sodann führen hohe Baukosten bei starker Auslastung der Bauwirtschaft und hohe Anschaffungskosten bei Bestandsimmobilien auf einem angespannten Markt wie Köln zu erheblichen Kapitalkosten und hohen Abschreibungen. Zudem sind die Kosten für Instandhaltung und -setzung gestiegen.
Indes liegen die Mieten in Köln, vor allem für neu angebotene Wohnungen, oft deutlich über der Kostenmiete von 10 €/qm. Teils findet man sogar Mietangebote für 16 €/qm. Wieso? Offenbar handelt es sich hierbei um Wohnungen, deren Vermieter über die normale Kostenmiete hinaus besonders hohe Gewinnerwartungen in die Miete einkalkulieren und sich die Wohnungsknappheit als Marktlagengewinne versilbern lassen.
Die Lücke schließen!
Wenn die gewöhnlichen Kosten einer Wohnung auf Grundlage der gegebenen Bedingungen bei etwa 10 €/qm liegen und teure Wohnungen sogar Mieten von bis zu 16 €/qm verlangen, geringverdienende Haushalte aber nur etwa 7 €/qm und mittelverdienende Haushalte nur bis zu 10 €/qm Miete zahlen können, klafft zwischen Miete und Zahlungsfähigkeit eine Lücke. Wie lässt sich diese Lücke schließen?
Hierauf hat DIE LINKE Köln im Wesentlichen drei Antworten: erstens öffentlich auf neuer Grundlage fördern; zweitens gemeinnützig bauen; drittens öffentlichen Boden öffentlich bewahren. Man findet die Kurzpassage aus dem Wahlprogramm der LINKEN Köln hier: https://die-linke-koeln.de/kommunalwahl-2020/staedtischer-wohnungsbau/. Was das heißt, möchte ich kurz erläutern.
Öffentlich auf neuer Grundlage fördern!
Öffentlich geförderter Wohnraum ist das, was der Volksmund als Sozialwohnungen bezeichnet. Dabei gibt es eine Art Deal zwischen öffentlicher Hand und Wohnungsbauunternehmen. Die öffentliche Hand, bestehend aus Kommunen, Land und NRW.Bank, unterstützt Wohnungsbauunternehmen mit günstigen Darlehen, die nur einen geringen Zinssatz haben und deren Tilgung gegen Ende der Laufzeit zum Teil erlassen wird. Hinzu kommen Zuschüsse für Wohnungsbauunternehmen zur Deckung bestimmter wohnungswirtschaftlicher Aufwendungen.
Im Gegenzug verpflichten sich die geförderten Wohnungsbauunternehmen dazu, die Wohnungen nur Mietern zu überlassen, die über kein hohes Einkommen verfügen und einen Wohnberechtigungsschein erhalten. Dies nennt man Belegungsbindung. Außerdem verpflichten sie sich, von der öffentlichen Hand vorgeschriebene Bewilligungsmieten von 6,80-7,60 €/qm nicht zu überschreiten, was man als Mietbindung bezeichnet. Aber wie lange dauern Miet- und Belegungsbindung? Sie dauern bis zum Ende der Laufzeit des Darlehens – und das ist ein Problem. Denn nach Auslaufen der Darlehen fallen etliche Wohnungen aus der Bindung heraus, und zwar mehr, als neue sozial gebundene Wohnungen entstehen. Seit vielen Jahren ist daher in Köln die Zahl der Sozialwohnungen leider rückläufig.
Was wäre eine progressive Antwort? Es müssen mehr öffentlich geförderte Wohnungen gebaut werden, und die Laufzeit der Bindungen muss von der Darlehenslaufzeit entkoppelt und deutlich erhöht, gegebenenfalls sogar auf Dauer gestellt werden. Genau diese beiden Forderungen erhebt DIE LINKE Köln völlig zurecht. Denn nur dann ist gewährleistet, dass durch öffentliche Förderung die Lücke zwischen Kostendeckung durch Miete und Tragfähigkeit des verfügbaren Einkommens für Mietzahlungen kleiner wird.
Gemeinnützig bauen!
Bisher war die Rede von öffentlicher Förderung. Diese kann kommunalen, genossenschaftlichen wie auch privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen zukommen. Wer aber soll und kann am besten bauen? Ich bin kein totaler Gegner des privaten Bauens mit kapitalistischer Absicht. Die Bezahlbarkeit von Wohnungen kann aber in Widerspruch zum Anspruch an Gewinnmaximierung stehen. Als Sozialist habe ich jedoch ein Interesse daran, dass einerseits für breite Bevölkerungsschichten, andererseits für geringverdienende Haushalte ein gutes und bezahlbares Wohnungsangebot bereitgehalten wird.
Daher finde ich es richtig, dass DIE LINKE Köln im Wahlprogramm den Schwerpunkt darauf legt, den Wohnungsbau auf knappen Flächen Unternehmen zu überlassen, die nicht an Gewinnmaximierung interessiert sind. Dazu eignen sich vor allem gemeinnützige Unternehmen in kommunaler Hand, deren Tun sich am öffentlichen Bedarf orientiert, sowie gemeinnützige Genossenschaften, die dem Prinzip der Selbsthilfe verpflichtet sind. Diese Unternehmen sollen nicht nur gemeinnützig agieren, sondern auch öffentlich gefördert werden. Denn es ist sinnvoll, öffentliche Förderung sowie gemeinnützigen Wohnungsbau in öffentlicher und genossenschaftlicher Regie miteinander zu kombinieren.
Wer genau aber soll in Köln kommunal bauen? Dies ist Aufgabe der GAG, an der die Stadt zu einem übergroßen Teil, aber nicht in Gänze beteiligt ist. Eine vollständige Eigentümerschaft der Stadt Köln an der GAG wäre schön, ist aber aus steuerrechtlichen Gründen schwierig. Daher ist es sinnvoll, obendrein die Neugründung eines weiteren, rein kommunalen Wohnungsunternehmens ins Auge zu fassen. Selbstredend sollen bereits bestehende gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaften weiter bauen können.
Diesen Forderungsmix der LINKEN Köln finde ich ausdrücklich richtig. Denn gemeinnützig agierende Wohnungsunternehmens, die von sich aus nicht auf Gewinnmaximierung aus sind und überdies öffentliche Förderung in Anspruch nehmen, sind besser in der Lage, die beschriebene Lücke zwischen Miete und Bezahlbarkeit zu schließen. Für Haushalte mit mittlerem Einkommen können sie eine Kostenmiete von ca. 10 €/qm verlangen; für Haushalte mit geringerem Einkommen orientieren sie sich mithilfe öffentlicher Förderung an den Bewilligungsmieten von 6,80-7,60 €/qm.
Freilich stehen auch gemeinnützige Wohnungsunternehmen vor der Herausforderung, mit den genannten Mieten die Bewirtschaftung von Wohnraum zu finanzieren, der die modernen Bedürfnisse der Bevölkerung nach Ausstattung, Zuschnitt und Größe deckt und obendrein die Erfordernisse nach Klimaneutralität und Barrierefreiheit berücksichtigt – und zwar dergestalt, dass die Kosten gedeckt werden und ein Gewinn verbleibt, der künftige Erweiterungsinvestitionen ermöglichst. Daher können die Mieten in Zukunft auch im Rahmen der Inflationsrate steigen – aber möglichst nicht groß darüber hinaus.
Was aber, wenn es zu den gegebenen Mieten Probleme gibt, die öffentlichen Ziele der bezahlbaren Wohnraumversorgung, der Klimaneutralität und der Barrierefreiheit zugleich zu erreichen? Hierauf gibt es zwei Antworten: Es müsste erstens über ein Quantum städtischer Einlagen in ihre Wohnungsunternehmen nachgedacht werden, das eine nur geringe oder gar negative Verzinsung erzielt. Zweitens müssten hohe Kapitalkosten durch hohe Bodenpreise, die die Mieten nach oben drücken, reduziert werden. Das führt uns zur Bodenfrage.
Öffentlichen Boden öffentlich bewahren!
Gerade weil Köln eine wachsende Stadt ist, sind die verfügbaren und nur begrenzt erweiterbaren Flächen knapp. Diese Knappheit gibt Anlass dazu, ihre Bewirtschaftung sorgfältig vorzunehmen und an den politischen Zielen auszurichten. Das heißt: Boden, der der Stadt gehört, sollte auch in kommunaler Hand bleiben. Dafür bietet sich das Instrument des Erbbaurechts an: Die Stadt bleibt als Erbbaurechtsgeber Eigentümerin des Bodens und veräußert an Erbbaurechtsnehmer nur das Recht, auf dem städtisch bleibenden Boden Bauwerke zu haben oder zu errichten. Es handelt sich, wenn wir es rechtlich ungenau formulieren, um eine Art Vermietung oder Verpachtung städtischen Bodens, weswegen man dieses Instrument auch als Erbpacht bezeichnet. Im Gegenzug dafür, dass die Stadt als bleibender Eigentümer ihren Boden zur Verfügung stellt, verlangt sie von den Erbbaurechtsnehmern eine Erbpacht: die Erbbauzinsen.
Als Erbbaurechtsnehmer kommen gemeinnützige Wohnungsunternehmen in Frage. Denn auf diese Weise ließen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen als Erbbaurechtsnehmer zahlen der Stadt im Sinne sozialer Preisgestaltung nur geringe Erbbauzinsen, reduzieren damit ihre Kapitalkosten auf den Boden deutlich im Vergleich zum Erwerb teuren Bodens und können somit geringere Mieten verlangen. Die Stadt wiederum bleibt Eigentümerin des Bodens, so dass dieser nicht in private Hände fällt und auch in Zukunft preislich sozial gestaltbar bleibt.
DIE LINKE spricht sich dafür aus, dass städtischer Boden in Erbpacht an verantwortungsvolle Genossenschaften und Unternehmen in öffentlicher Hand vergeben wird. Das ist richtig, aber ich würde ergänzend Boden in Erbpacht auch an verantwortungsvolle private Eigentümer der Gebäude (nicht der Grundstücke!) vergeben, sofern diese sich qua Erbbauvertrag dazu verpflichten, Mieten im öffentlich geförderten und im preisgedämpften Segment zu verlangen.
Und private Unternehmen?
Und wie ist es mit den privaten Unternehmen? Gibt es nicht auch gemeinnützig agierende Wohnungsunternehmen? Doch: Sie sind herzlich dazu einladen, dies fortzusetzen und dafür öffentliche Förderung in Anspruch zu nehmen. Meinetwegen sollen kleinere Flächen auch durch privatkapitalistische Bauträger und Wohnungsunternehmen bebaut werden können. Es soll jedoch eine Differenz verdeutlicht werden zwischen linken Positionen und jenen von Christoph Gröner. Gerade weil in den 90ern und in den 00ern öffentlich gefördertes und gemeinnütziges Wohnen dramatisch an Bedeutung verloren hat, gibt es hier enormen Aufholbedarf, worauf der Wohngenossenschaftler Michael Schleicher im o.a. Gespräch zurecht hinweist. Es reicht daher nicht, bei den neu zu bauenden Wohnungen 30% öffentlich gefördert mit einer Bewilligungsmiete von 6,80-7,60 €/qm, 20% mietpreisgedämpft zu 10 €/qm und den 50%igen Rest privatkapitalistisch zu womöglich hohen Mieten bauen.
Stattdessen müssen gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen voranschreiten und sollten sich bei den neu zu bauenden Wohnungen an einer Zielgröße von 70% im geförderten und 30% im preisgedämpften Segment orientieren. Erforderlich ist bis 2030 der Neubau von 38.000 bezahlbaren Wohnungen in städtischer, gemeinnütziger oder genossenschaftlicher Hand, also 3.000 neue Wohnungen pro Jahr. Städtische und stadtnahe Wohnungsbauunternehmen sollten möglichst selten eine Miete verlangen, die über der Kostenmiete liegt. Erste politische Aufgabe ist es, das Segment bezahlbarer Wohnungen deutlich auszudehnen. Der Bau von teuren Wohnungen durch kapitalistische Wohnungsunternehmen und von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen durch privatkapitalistische Bauträger ist möglich, aber von nachgeordneter Bedeutung.
Städtische Flächen sollten gemeinnützigen Wohnungsunternehmen in Erbpacht zur Bebauung zur Verfügung gestellt werden. Private Bauträger und Wohnungsunternehmen sollten Eigenheime, Eigentumswohnungen und freifinanzierte Wohnungen auf den vorhandenen privaten Flächen bauen können – freilich sozial reguliert. Die dafür in Frage kommenden Regulierungen sind das kommunale Vorkaufsrecht, das besondere Städtebaurecht (Sanierung, Stadtentwicklung, Stadtumbau, Soziales, Erhaltung) der Kommunen laut BauGB, aber auch das Mietrecht laut BGB und ergänzenden Verordnungen.