Was sollen wir in der Corona-Krise tun?

Was sich vor unseren Augen abspielt, wird aufs Jahr berechnet die größte Wirtschaftskrise seit 1945 sein. Von 2008 auf 2009 lag das reale BIP-Wachstum bei -5,7%. Von 2020 auf 2021 gehe ich von -10% bis -15% aus. Ich bin nicht so vermessen, so zu tun, als wäre ich hier der Superchecker. Ich habe meine Vermutungen, mehr nicht. Ich denke, wir haben es einerseits mit einer Produktionskrise zu tun, wie es sie üblicherweise im Mittelalter gab. Naturkatastrophen, Missernten oder Seuchen haben damals die Produktion von der Entstehungsseite her verunmöglicht, und so ist es heute mit dem Coronavirus wieder: Corona und die Erfordernis zu Lock- und Shutdowns (über deren gesundheitspolitische Sinnhaftigkeit ich als Nichtexperte nicht viel sagen möchte) führen dazu, dass weniger produziert werden und weniger entstehen kann.

Da jedoch aus der Nichtproduktion Einkommensausfälle in großem Stil und zusammenbrechende Lieferketten resultieren, könnten dann andererseits auch die Konsum- und Investitionsnachfrage sinken. Das wäre dann das Drama: Angebots- und nachfrageseitige Krise verstärkten sich. Die Folge wäre: Die Wertschöpfung bräche ein – und das beträfe den Rückgang all ihrer Bestandteile: der Löhne als größtem Brocken, der Gewinne, der verdienten Abschreibungen und der Differenz aus indirekten Steuern und Subventionen. Auch die Beschäftigung bräche ein. Für die Lohnabhängigen und die Kleinselbständigen wäre all das eine Katastrophe.

Was schlage ich also zur Vermeidung vor? Um die Verkettung von Einkommens- und Nachfrageausfällen zu stoppen, wäre es gut, wenn der Staat neben zinslosen Krediten zusätzlich allen mit direktem Verdientsausfall durch Shut- und Lockdown betroffenen Lohnabhängigen, Soloselbständigen und Kleinunternehmern eine Gutschrift in Höhe ihres Verdienstausfalls für sage vier Monate auf deren Konto gutschreibt. Die Betroffenen müssten nur ihren ihren aktuell reduzierten Verdienst im Vergleich zum durchschnittlichen Verdienst in normalen Monaten ausweisen – Kontoauszüge oder Ähnliches sollten als Beleg reichen. Keine große Bürokratie und Kontrolle bitte. Es wird hier und da in kleinerem Umfang Mitnahmeeffekte geben – vergleichsweise ist das egal. Die Betroffenen hätten durch “das Geschenk” eine Erhöhung ihres Reinvermögens, die jedoch lediglich die aus dem Lock- und Shutdown resultierende Minderung ihres Reinvermögens kompensieren würde.

Wie sollte die Finanzierung vonstatten gehen? Der Staat hätte enorme Ausgaben für Lohn- und Entgeltfortzahlungen und würde sich am besten direkt durch die EZB finanzieren. Dummerweise ist das in der EU leider verboten, siehe Art. 123 AEUV. Alternativ würde ich daher vorschlagen, dass sich der Staat durch Staatsanleihen (noch besser: die ganze EU durch Corona-Euro-Bonds) in großem Stil finanziert. Zeichnen würden diese Anleihen irgendwelche Börsenakteure. Irgendwann verkauften diese Akteure diese Anleihen an die EZB. De facto wäre das dann doch eine Art indirekter Staatsfinanzierung durch die EZB. Leichte Kursveränderungen der Anleihen nach oben oder unten wären nicht zentral. Die Auswirkung wäre jedenfalls, dass die Staatsschuldenquoten global erheblich stiegen. Das fände ich aber nicht so tragisch.

Drei Gefahren könnten daraus resultieren: Eine erste Gefahr könnte sein, dass Vermögende, die sonst Geld ausgegeben hätten, es aber qua Lock- und Shutdown zunächst nicht konnten, es später gebündelt für Konsumkäufe täten, so dass es zu Preissteigerungen käme. Aber ich erachte diese Gefahr als sehr unwahrscheinlich. Eine Deflationsgefahr erachte ich noch immer als wahrscheinlicher. Womöglich wäre die zweite Gefahr, dass es durch das nicht für Konsum ausgegebene Geld der Vermögenden zu einer weiteren asset inflation käme. Auch das halte ich jedoch für eher unwahrscheinlich, da Aktienkurse auch auf den heutigen Tag diskontierte Gewinnerwartungen abbilden und Letztere eher sinken dürften.

Eine dritte Gefahr könnte darin bestehen, dass es im Zuge der “Aufräumarbeiten” nach der Krise zu Forderungen der Kapitalseite käme, Sozial- oder sinnvolle andere Staatsausgaben zu senken. Womöglich könnten auch Unternehmen versuchen, die Lohnquote zu senken. Vielleicht. Vielleicht kommt es aber auch anders. Vielleicht kommt es auch zu einem Einstieg in eine Erhöhung von Sozialausgaben (etwa für Gesundheit) oder anderen sinnvollen Investitionen. Wir wissen es nicht, und die gesellschaftliche Linke sollte dann da sein. Sie sollte dann mit ihren verteilungspolitischen Forderungen aufwarten – etwa mit einer Forderung nach einer Vermögensabgabe, um die Staatsschulden wieder etwas zu reduzieren, aber auch mit der Forderung nach einer anderen Besteuerung von Vermögen, Erbschaften und hohen Einkommen.

Aktuell ist aber nicht die Stunde der Verteilungspolitik im Rahmen eines gegeben Verteilungskuchens, sondern die Stunde der Sicherung der Größe des Kuchens überhaupt. Womöglich bieten sich aktuell auch Chancen, Rettungen mit Beteiligungen des Staates an Unternehmen und mit mehr öffentlich-rechtlicher Einflussnahme zu verknüpfen. Das fände ich gut, aber auch das ist vermutlich heute nicht zentral. Zentral ist heute die Aufrechterhaltung von Produktion und Einkommen. Da hat Heiner Flassbeck sowas von recht, siehe hier oder hier.

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