In ihrem Bundestagswahlprogramm spricht sich meine Partei, DIE LINKE, gegen eine intensive Landwirtschaft aus, in deren „Lebensmittelkette große Konzerne (dominieren), die ihre Gewinne auf Kosten von Menschen und Umwelt machen.“ Stattdessen möchte DIE LINKE „bäuerliche, genossenschaftliche und ökologische Landwirtschaft (fördern)“.
Im Prinzip habe ich keinen Einwand gegen die Förderung einer Landwirtschaft, die Umweltbelange und Tierschutz stärker berücksichtigt. Diese Ziele finde ich richtig.
Was jedoch auch klar sein dürfte, ist Folgendes: Wenn erstens im Zuge einer nicht-intensiven Landwirtschaft der Anbau derselben Menge von Lebensmitteln auf einer größeren Anbaufläche erfolgen und zweitens der gesamte Flächenverbrauch nicht ausgedehnt werden soll, heißt das, dass auf einer gleich großen Fläche eine geringere Menge an Lebensmitteln angebaut werden soll.
Dieser Verknappung des Anbaus und des Angebots korrespondiert ein Anstieg der Erzeugerpreise. Das will DIE LINKE auch und sagt daher: „Mit höheren Erzeugerpreisen wollen wir die Abhängigkeit der Landwirtschaftsbetriebe von Fördermitteln reduzieren (…)“.
Dann aber steigen der Tendenz nach auch klar die Verbraucherpreise, so wie es Cem Özdemir gerade fordert und wie es DIE LINKE kritisiert. Wieso kritisiert DIE LINKE aber etwas, was implizites Resultat ihrer eigenen Forderung ist?
Das tut sie, weil sie darauf hofft, dass die höheren Erzeugerpreise nicht beim Endverbraucher ankommen, sondern sich in reduzierten Gewinnen der Handelskonzerne niederschlagen. Deswegen lautet der o.a. Satz vollständig wie folgt: „Mit höheren Erzeugerpreisen wollen wir die Abhängigkeit der Landwirtschaftsbetriebe von Fördermitteln reduzieren und über eine gerechte Gewinnverteilung in der Wertschöpfungskette sichern, dass Lebensmittel bezahlbar bleiben.“
Ist es aber realistisch, darauf zu hoffen, dass die Verbraucherpreise der Handelskonzerne nicht steigen, weil deren Gewinne sinken? Ich denke das nicht, denn die Handelskonzerne werden höhere variable Stückkosten in Form höherer Einstandspreise (höherer Erzeugerpreise) bei konstantem Mark-up-Gewinnzuschlagssatz auf die Endverbraucherpreise überwälzen.
Wie hoch wird die Überwälzung sein? Im klassischen Monopol mit linearer Preis-Absatz-Funktion wird eine Erhöhung der variablen Stückkosten zu 50% auf die Verbraucherpreise überwälzt. Da jedoch im Lebensmittelbereich keine reine Monopolsituation, sondern ein Oligopol vier großer Unternehmen, gepaart mit monopolistischer Konkurrenz der Supermärkte, vorherrscht, dürfte die Überwälzung mehr als 50% betragen, also sagen wir 75%.
Was dann? Offenbar muss DIE LINKE einen kompensatorischen Plan dafür haben, dass ihre politische Stoßrichtung — übrigens nicht nur bei Lebensmitteln, sondern auch in der Energiefrage — zu einer Verteuerung der Endverbraucherpreise führt. Was wären politische Optionen hierfür?
Eine Möglichkeit für Erwerbslose ist eine Anhebung der Regelsätze bei Hartz IV — was DIE LINKE fordert; eine Möglichkeit für geringverdienende bis mittelverdienende Erwerbstätige ist eine Erhöhung des Mindestlohns — was DIE LINKE fordert; eine weitere Möglichkeit für solche Erwerbstätige ist die Stärkung der Möglichkeit von Allgemeinverbindlichkeitserklärungen bei Tariflohnergebnissen — was DIE LINKE zwar fordert, aber noch zu wenig akzentuiert.
Möglich wäre es indes auch, eine Art Ökobonus an alle Haushalte auszuzahlen, finanziert gerne aus monetarisierter Staatsverschuldung (eine stärkere Gewinnbesteuerung bei Konzernen ist aus Gerechtigkeitsgründen sinnvoll, aber keine zwingende Voraussetzung für Finanzierungspotentiale).
Ein solcher gleichgroßer Ökobonus für alle Haushalte würde erstens jene mit geringerem Einkommen relativ privilegieren. Er würde obendrein und zweitens für alle Haushalte die Realeinkommenssenkung durch höhere Preise teils kompensieren, ohne dass der Substitutionseffekt der relativen Verteuerung von bislang zu viel konsumierten Lebensmitteln an Bedeutung verlöre. Jeder Haushalt könnte dann für sich entscheiden, inwiefern die Lebensführung verändert würde.
Besser gefiele mir noch, wenn ein solcher Ökobonus mit zunehmendem Einkommen immer geringer ausfiele und ab einem gewissen Einkommen ausliefe, da dann der progressive Effekt noch stärker wäre.
Was meint ihr?