Kann die LINKE Trade-Offs?

Mittagspause, man sitzt neben einer Kollegin und einem Kollegen und redet über den Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Die Kollegin sagt, militärische Interventionen gegen Russland seien erforderlich, aber ja: sie bärgen die Gefahr, eskalierend zu wirken.

Der Kollege sagt, militärische Interventionen seien abzulehnen, da sie Gewalt säen würden, aber ja: diese Ablehnung laufe Gefahr, vor Putins Aggression zu kuschen und diese de facto hinzunehmen.

Ein anderes Mal sitzt man neben einer Freundin und einem Freund und redet über den Klimawandel. Die Freundin sagt, man müsse entschlossen defossilieren, aber ja: eine zu schnelle Defossilierung gefährde womöglich Einkommen und Beschäftigung.

Der Freund sagt, man müsse den Strukturwandel verlangsamen, um Einkommen und Jobs zu sichern, aber ja: ein zu langsamer Strukturwandel setze womöglich dem Klimawandel zu wenig entgegen.

Ein weiteres Mal sitzt man neben zwei Bekannten und redet über Migration. Die eine sagt, man müsse als reicher Westen die Aufnahme von Migranten stärker ermöglichen, aber ja: eine zu schnelle und hohe Migration laufe angesichts der kurzfristig nur schwer erhöhbaren Arbeitsnachfrage und nur schwer steigerbaren Kapazitäten Gefahr, die Konkurrenz um Jobs, Wohnungen, Schulplätze zu verstärken.

Der andere sagt, man müsse Migration begrenzen, um Konkurrenz um Jobs, Wohnungen, Schulplätze abzumildern, aber ja: eine Ablehnung jeder Migration sei inhuman, ignoriere die Legitimität des Wunsches nach Migration und verkenne die Chancen, die Migration neben Risiken mit sich brächte.

Nun frage ich mich: Ist auch die LINKE künftig besser in der Lage, Dilemmata, Trade-Offs und Zielkonflikte in Problemen nicht zu beschweigen, sondern zu lösen, indem sie sie anerkennt, benennt und ihre Auflösung durch eine präzise Theorie der Zusammenhänge und eine kombinierte Praxis von Entschlossenheit und Kompromissen angeht?

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