Freilich: Die Natur kann grausam sein. Ihr wohnt auch kein Sinn inne. Sie ist einfach seit Anbeginn da – mit uns als Teil von ihr. Doch sie kann auch schöne Tage hervorbringen. Gestern und heute gab’s solche Tage mit blauem Himmel, Sonne und einer Farbskala von grün, gelb, orange, rot und braun. Hier spricht man vom Altweibersommer, in den USA vom Indian Summer.
Naturphänomene haben zwar keinen Sinn, aber können Gefühle, die durch persönliche Beziehungen hervorgerufen werden, katalysieren: abmildernd oder verstärkend. Auch im Doors-Song “Indian Summer” katalysiert das Wetter Gefühle. Ein Mann liebt eine Frau: zumindest am meisten und mehr als alle anderen Frauen, die er im Indian Summer trifft. Ist das eine heftige Liebe? Oder eine moderate, die nur dadurch erhalten wird, dass keine andere Frau besser ist? Und verstärkt der Altweibersommer die Liebe, oder mildert er sie ab? Wir wissen es nicht, aber spekulieren: Der Indian Summer war so schön, dass er eine heftige Liebe intensiviert hat.
Der Inhalt eines Songs muss nicht identisch mit seinen Inspirationen sein. Wodurch wurde er inspiriert? Doors-Frontman Jim Morrison widmete ihn seiner Freundin Pamela Courson. Dies spricht dafür, dass diese Beziehung im Song autobiographisch referiert wird. Zudem nimmt der Song Bezug auf einen Unfall, den Morrison mit 4 erlitt, als seine Eltern mit ihm und den Großeltern durch die Wüste nach New Mexico fuhren und mit einer Familie von Native Americans (“Indians”) kollidierten. Es gab Verletzte und Tote unter den Natives. Morrison sagte hierzu:
“Die Seelen der Geister dieser toten Indianer, vielleicht ein oder zwei von ihnen, liefen einfach herum und flippten aus und sprangen einfach in meine Seele, und sie sind noch immer da drin.”
“Indian Summer” wurde 1965 aufgenommen, aber erst 1970 auf dem Album “Morrison Hotel” veröffentlicht. Der Song ist schön wie ein Sonnenuntergang im Indian Summer.